Corona-Pandemie

Herdenimmunität wegen Delta-Variante in Gefahr

Gerade nach den ersten Lockerungen fiebern viele Menschen einem Ende der Corona-Pandemie und den damit einhergehenden Beschränkungen entgegen. Dafür müsste jedoch eine Herdenimmunität erreicht werden - was durch die Delta-Variante erschwert werden könnte.

Passanten schützen sich mit einem Mund-Nasen-Schutz vor einer möglichen Ansteckung mit dem Coronavirus.
Experten fürchten, dass die Herdenimmunität wegen der ansteckenden Delta-Variante erst viel später oder gar nicht erreicht werden kann. Foto: iStock / JordanSimeonov
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Was bedeutet Herdenimmunität?

Zunächst einmal muss man verstehen, was mit Herdenimmunität gemeint ist: Wenn ausreichend viele Menschen wegen einer Impfung oder einer überstandenen Ansteckung gegen ein Virus immun sind, spricht man von Herdenimmunität: Der Erreger kann sich nur noch schwer ausbreiten und zu den noch nicht geschützten Menschen gelangen.

Durch eine solche Herdenimmunität würden etwa Menschen geschützt, die sich beispielsweise aufgrund von Krankheit nicht impfen lassen können. Eine komplettes Auslöschen des Coronavirus halten Experten jedoch dennoch für äußerst unwahrscheinlich.

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Warum gefährdet die Delta-Variante die Herdenimmunität?

Zu Beginn der Corona-Pandemie ging man davon aus, dass zwei Drittel der Bevölkerung gegen das ansteckende Virus immun sein müssen, um eine Herdenimmunität zu erreichen. Damals wurde davon ausgegangen, dass eine infizierte Person im Schnitt zwei bis drei weitere Menschen ansteckt. Später wurde die Zahl vom Robert-Koch-Institut auf 80 Prozent korrigiert, da neue Virusvarianten die Verbreitung begünstigten.

Das Problem: Mittlerweile breitet sich auch die Delta-Variante in Deutschland zunehmend aus. Diese, so schätzen Experten, ist gut 60 Prozent ansteckender als die bisher hierzulande vorherrschende Alpha-Variante des Virus.

Die Herdenimmunität müsse daher mittlerweile bei 85 Prozent liegen, sagt etwa Carsten Watzl, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie. Jedoch könnte dieses Zeil nur erreicht werden, wenn auch Kinder unter 12 Jahren geimpft werden - und für diese gibt es momentan noch nicht mal einen zugelassenen Impfstoff. "Es kann sein, dass Herdenimmunität nur für einzelne Einrichtungen wie Pflegeheime erreicht werden kann, aber nicht für das Gros der Bevölkerung", warnt Watzl.

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Bedeutet Herdenimmunität das Ende der Corona-Pandemie?

Auch, wenn eine Herdenimmunität von mehr als 85 Prozent erreicht werden würde - eine Ausrottung des Coronavirus bedeutet dies noch lange nicht. "Auch dann wird es noch Infektionen geben, auch dann wird es Ausbrüche geben, aber es ist davon auszugehen, dass bei einer Immunität von weit über 80 Prozent schwere Verläufe und Todesfälle zum großen Teil verhindert werden", erklärt eine RKI-Sprecherin.

Dennoch gibt es Hoffnung: Selbst wenn eine hohe Herdenimmunität nicht erreicht werden kann, Lockdown und weitere sehr einschränkende Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung dürften bei einer relativ hohen Impfquote dennoch hinfällig werden.

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Gefährdet die Delta-Variante den Impffortschritt?

Menschen, die bereits vollständig gegen das SARS-CoV-2-Virus geimpft sind, sind auch sehr gut gegen die Delta-Variante geschützt. Sie sind jedoch gegen die Delta-Variante minimal weniger immun als gegen ihren Vorgänger, der Alpha-Variante. Einen schweren Krankheitsverlauf hätten sie aber bei einer Ansteckung nicht zu befürchten.

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Derzeit forschen Virologen bereits an einer Auffrischimpfung, die noch besser gegen neue Mutanten wie die erstmals im Oktober 2020 aufgetretene Delta-Variante schützen sollen.

Der deutsche Virologe und Corona-Experte Christian Drosten erklärte in einem Interview mit dem Schweizer Online-Magazin 'Republik', dass es äußerst unwahrscheinlich sei, dass immer neue, stärkere Virusvarianten den Impfschutz gefährden. "Also eine Mutante, die auf einmal wieder eine schwere Krankheit macht bei der Mehrheit der Geimpften, das kann ich mir nicht vorstellen", sagte Drosten.

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Wann hört die Corona-Pandemie auf?

Drosten geht nicht davon aus, dass sich die Pandemie zu einem Dauerzustand entwickelt. Der Experte betonte schon des Öfteren, dass das Coronavirus sich irgendwann zu einer Erkältungskrankheit abschwächen werde. Hingegen rechnet er aber noch mit zwei bis vier Jahren, in denen das Virus vorhandene Impflücken nutzen und so für neue Ausbrüche sorgen werde.

Delta-Varinate sollte nicht zu Panik führen

Fakt ist: Die Delta-Variante könnte das Ziel einer Herdenimmunität in etwas weitere Ferne rücken. Dennoch warnen Mediziner vor Panikmache.

Viele Menschen sorgen sich, denn mittlerweile ist bekannt, dass die Delta-Variante sehr viel ansteckender als ihre Vorgängerin ist. In Großbritannien, wo sich die Variante derzeit sehr schnell ausbreitet, wurden geplante Lockerungen zunächst verschoben.

Vor allem Kinder, für die es derzeit noch keinen zugelassenen Impfstoff und keine Impfempfehlung gibt, sind derzeit von Corona betroffen.

Dennoch warnte etwa Reinhard Berner, Leiter der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum in Dresden vor unangebrachter Panikmache: "Ein erhöhtes Risiko bei Kindern sehe ich bislang nicht“, sagte der Kinderarzt im Interview mit dem Berliner Tagesspiegel. "In der Vergangenheit hat sich meist bewährt, den jeweiligen Lagen Zeit zu geben und nicht immer gleich Katastrophen herbeizuorakeln."

Momentan sei noch unklar, was im Herbst passiere. Nach bisherigen Erkenntnisse sieht er das Gesundheitssystem dann aber nicht überfordert.

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