Bundesregierung hält Biontech-Dosen zurück?

Corona-Impfung in Arztpraxen durch zu wenig Impfstoff in Gefahr

Von der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg wird Kritik laut: Das Impfen gegen das gefährliche Corona-Virus in Arztpraxen geht nur stockend voran und könnte durch eine Umverteilung von Impfstoffen teilweise ganz zum Erliegen kommen.

Die Corona-Impfung in Arztpraxen wird nur schleppend vorangehen.
Die Corona-Impfung in Arztpraxen wird wohl nur schleppend vorangehen. Foto: iStock / Choreograph
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Offenbar wird insbesondere der beliebte Biontech/Pfizer-Impfstoff seitens der Bundesregierung zurückgehalten: Er soll Berichten zufolge für die geplante Impfung von Schülerinnen und Schülern aufgespart werden, ebenso für die Corona-Impfkampagne der Betriebsärztinnen und Betriebsärzte.

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Voraussichtlich zu wenig Biontech-Impfstoff für Arztpraxen

Das sorgt für Kritik von der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg. Deren Chef, Walter Plassmann, monierte in einem Gespräch mit NDR 90,3, dass den niedergelassenen Ärzt*innen lange versprochen worden sei, dass sie bald in ihren Praxen verstärkt impfen könnten. Jedoch sei dies nicht möglich, wenn die Mediziner in der ersten Juni-Woche pro Arzt oder Ärztin höchstens 24 Dosen Biontech für Erstimpfungen erhalten. Laut der Lieferprognose des Bundes wird es dann auch im Verlaufe des Monats Juni nicht mehr Dosen geben.

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Impfaufwand für Arztpraxen lohnt sich kaum noch

Betriebe hingegen sollen für den Impfstart in Unternehmen ab 7. Juni bis zu 800 Dosen pro Woche bestellen können, erläutert Plassmann weiter. Seine Befürchtung: Durch diese Umverteilung könnten viele niedergelassene Ärzt*innen erst mal ganz mit dem Impfen aufhören. Der Aufwand für so wenige Dosen sei schlichtweg zu hoch. Eine Antwort auf die Nachfrage zu angeblichen Impfstoff-Rücklagen blieb vom Bundesgesundheitsministerium bisher unbeantwortet.

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Corona-Impfempfehlung für Kinder bleibt vermutlich aus

Dabei ist es nach wie vor fraglich, ob es überhaupt zu einer offiziellen Impfempfehlung für Kinder kommt. Die Ständige Impfkommission (STIKO) will eine solche nämlich gar nicht abgeben. Dennoch sagte Gesundheitsminister Jens Spahn im Interview mit der 'Bild am Sonntag': "Das erklärte Ziel ist, dass die Länder den minderjährigen Schülerinnen und Schülern bis Ende August ein Impfangebot machen". Weitere Informationen zu den Plänen wird es wohl am Donnerstag beim Impfgipfel geben.

Dieser Impfstoff hat eine Wirksamkeit von 100 Prozent

Tests haben ergeben, dass der Impfstoff Moderna bei Jugendlichen zwischen 12 und 17 Jahren eine Wirksamkeit von 100 Prozent aufweist. Dies ergab eine Studie aus den USA, bei der 3.700 Jugendliche in einer Testreihe mit Moderna geimpft wurden. Nach der zweifachen Impfung hat sich keines der teilnehmenden Kinder mit Corona infiziert. In einer mit einem Placebo-Vakzin geimpften Vergleichsgruppe gab es dagegen vier Infektionen.

Das Redaktionsnetzwerk Deutschland berichtete aber, dass eine Impfempfehlung für Kinder seitens der STIKO wahrscheinlich nur bei 12- bis 15-Jährigen mit bestimmten Vorerkrankungen gegeben wird.

STIKO empfiehlt älteren Menschen Impfung mit AstraZeneca

Die Impfkampagne geht in Deutschland allgemein schnell voran: Ende Mai sind nun über 40 Prozent der deutschen Bevölkerung zumindest einmal geimpft. Am 7. Juni soll zudem die Impfpriorisierung wegfallen, sodass sich das Tempo noch einmal beschleunigen könnte.

Ein zunehmendes Problem stellt jedoch die Weigerung älterer Menschen, sich mit dem Impfstoff AstraZeneca behandeln zu lassen, dar. Viele Menschen trauen dem Impfstoff nicht und verlangen deshalb, mit Biontech oder Moderna geimpft zu werden. Die STIKO empfiehlt Menschen ab 60 Jahren aber ausdrücklich AstraZeneca, da es bei dieser Personengruppe eine besonders gute Wirksamkeit habe. Eine Ablehnung des AstraZeneca-Impfstoffes ist eigentlich nur gültig, wenn eine Vorerkrankung vorliegt. Denn die Entscheidung, welcher Impfstoff gegeben werden soll, wird nach den Vorgaben der Landesregierung getroffen, die wiederum auf die Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts hört.

Impfstoff AstraZeneca geriet zunehmend in Kritik

Viele Impfwillige - insbesondere Frauen, bei denen das Thromboserisiko höher eingeschätzt wird - haben aber große Angst vor diesem Impfstoff, sodass sie ihren Hausarzt um eine entsprechende Bescheinigung bitten.

Der Corona-Impfstoff des britisch-schwedischen Konzerns AstraZeneca ist wegen seltener schwerer Nebenwirkungen in die Kritik geraten. Im März 2021 gab es erste Berichte über einen möglichen Zusammenhang zwischen einer Impfung mit AstraZeneca und zeitnah auftretenden Sinusvenenthrombosen. Bis zum 15. April wurden dem Paul-Ehrlich-Institut 59 Fälle einer Sinusvenenthrombose nach Impfung mit dem AstraZeneca-Impfstoff Vaxzevria gemeldet. Zwölf Betroffene starben. Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) spricht für die EU von insgesamt 142 Fällen.

Zwischenzeitlich wurden in Deutschland die Impfungen mit AstraZeneca ausgesetzt, später wurde die Impfempfehlung dahingehend geändert, dass der Impfstoff nur der Altersgruppe ab 60 Jahren empfohlen wird.

Die Forscher betonen immer wieder, dass das Risiko einer schweren Nebenwirkung sehr gering ist und der Nutzen der Corona-Impfung bei weitem überwiegt.

So entstehen Sinusvenenthrombosen

Vereinfacht lässt sich der Prozess so beschreiben: Überall im Körper entstehen kleine Gerinnsel, an die sich Thrombozyten anhaften. Dadurch sinkt die Anzahl der Blutplättchen, was wiederum größere Blutungen zur Folge haben kann, weil die kleinen Wunden nicht mehr geschlossen werden. Wenn dabei größere Gerinnsel entstehen, etwa im Gehirn, können sich Sinusvenenthrombosen bilden. Im schlimmsten Fall kann ein dabei entstehender Blutstau auf Gehirnregionen drücken oder diese abschnüren. Symptome wie andauernder Kopfschmerz, Sehstörungen und andere neurologische Ausfallerscheinungen sind die Folge - der Mechanismus kann sogar lebensgefährlich sein.

Verweigerung bestimmter Impfstoffe als Risiko

Betroffene, die Vorerkrankungen aufweisen, die nicht zum Wechsel des Impfstoffs berechtigen, warten lieber auf andere Impfstoffe oder verzichten aus Angst ganz vor der Impfung. Im Bundesland Hessen etwa kam es zu Ausfallquoten von bis zu 50 Prozent.

Dabei ist es gerade für Patienten mit Vorerkrankungen wichtig, sich impfen zu lassen. Sie haben im Falle einer Ansteckung mit dem Corona-Virus ein besonders hohes Risiko für einen schweren Infektionsverlauf. Ihnen bleibt dann nur der Weg einer erneuten Registration, sie müssen dann warten, bis es neue Impftermine mit anderen Vakzinen gibt.

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