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Sind die Wechseljahre eine reine Kopfsache?

Eine Studie besagt, dass viele "typische" Wechseljahresbeschwerden weniger mit der Hormonumstellung als vielmehr mit unserer Einstellung zu uns selbst zu tun haben.

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Haben Sie in letzter Zeit möglicherweise Probleme mit dem Schlaf, etwa Einschlafstörungen, Durchschlafstörungen oder besonders frühes Aufwachen? Fühlen Sie sich körperlich oder geistig erschöpft? Sind Sie reizbar, schwankt die Laune? Haben Sie weniger Lust auf Sex als früher?

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Könnte eine kleine Lebenskrise sein. Vielleicht hilft ein Urlaub, wenn Sie ein Mann oder eine junge Frau sind. Bei Frauen im Alter von 40 bis 60 Jahren deutet bei diesen Symptomen leider alles darauf hin, dass Sie an einer gesundheitlichen Störung leiden, gegen die im schlimmsten Fall nur Tabletten helfen.

Wechseljahre mit Hormonen "heilen"?

Die Fragen stammen aus der sogenannten Menopause Rating Scale, einem Fragebogen, mit dem Ärzte bestimmen sollen, wie weit die Wechseljahre einer Frau fortgeschritten sind. Der Fragebogen wird inzwischen seit über 20 Jahren verwendet. Doch nun hat Kerstin Weidner, Psychologin an der Uniklinik Dresden, die Aussagekraft der Menopause Rating Scale in einer Studie untersucht. Ihre Ergebnisse legen den Schluss nahe, dass es die Wechseljahre nicht gibt. Zumindest nicht als gesundheitliche Störung, die mit Hormonen behandelt werden muss.

Im Körper einer Frau verändert sich grundlegend etwas, wenn sie älter wird. Ihre Eierstöcke hören auf, das Hormon Östrogen zu bilden. Bei einigen Frauen beginnt dieser Prozess mit 40, bei anderen erst Mitte 50, aber mit 58 Jahren haben die meisten Frauen es hinter sich. An dieser hormonellen Veränderung gibt es keine Zweifel. Jede zehnte Frau unterzieht sich in Deutschland einer Hormontherapie, wenn ihr Körper die Östrogenproduktion herunterfährt.

Wie wirkt sich die hormonelle Veränderung auf Körper und Psyche aus?

Mit der Menopause Rating Scale sollen die Symptome gemessen werden. Gefragt wird nach Beschwerden in elf Bereichen. Es geht um psychische Veränderungen wie Schlafstörungen, depressive Verstimmungen oder weniger Lust auf Sex. Aber es wird auch nach körperlichen Veränderungen gefragt, nach Herzproblemen, Gelenkschmerzen, Hitzewallungen, Schweißausbrüchen und vaginaler Trockenheit.

Kerstin Weidner leitet in Dresden die Uniklinik für Psychotherapie und Psychosomatik. Sie legte den Fragebogen nicht nur, wie bisher üblich, Frauen im Alter zwischen 45 und 65 vor. Sie ließ ihn von 1400 Frauen ausfüllen – auch von viel jüngeren und älteren. Und stellte dabei fest, dass tatsächlich viele Frauen im typischen Alter der Wechseljahre viele der abgefragten Symptome hatten. Allerdings traf das auch auf viele der jüngeren oder älteren Frauen zu. "Wir haben festgestellt, dass die gesamten körperlichen Beschwerden mit dem Lebensalter zunehmen, aber keinen Höhepunkt in den Wechseljahren haben", sagt Weidner. Herz und Gelenke werden mit dem Alter leider oft schwächer. Auch Scheidentrockenheit sei keine typische Erscheinung der Wechseljahre, sondern des Alterns. Die Trockenheit nehme zwar im Alter der Hormonumstellung zu, danach aber nicht ab.

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Von den körperlichen Symptomen war nur eines unzweifelhaft den Wechseljahren zuzurechnen: Hitzewallungen und plötzliche Schweißausbrüche. Jüngere und ältere Frauen litten nicht darunter. Von den angeblichen psychischen Symptomen der Wechseljahre blieb nach der Studie von Weidner kein einziges mehr übrig. Frauen werden nicht reizbarer, mutloser, vergesslicher oder ängstlicher, wenn der Östrogenspiegel in ihrem Körper sinkt. Auch ob Frauen in Panik geraten, schlecht schlafen oder weniger Lust auf Sex verspüren, hänge "vielmehr mit Faktoren wie Selbstwirksamkeit, Bildungsabschluss, Einkommen, Partnerschaft und Berufstätigkeit zusammen", sagt Weidner.

Mit einer positiven Einstellung in die Wechseljahre

Und mit der Erwartungshaltung. Wenn eine Frau – nicht zuletzt, weil ihre Ärzte das so ankündigen – davon überzeugt ist, dass sie unter den Wechseljahren leiden wird, stehen die Chancen nicht schlecht, dass dieses Leiden auch eintritt. Die Wechseljahre werden zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung. "Eine allgemeine Deutung des Klimakteriums als krankhaft und eine vorschnelle Zuschreibung der Symptome müssen in jedem Fall unterbleiben", sagt Kerstin Weidner. Klimakterium ist ein weiterer Begriff für die Hormonumstellung, der von dem griechischen Wort für "Stufenleiter" abgeleitet ist.

Die Studie von Weidner ist ein weiteres Argument gegen die Hormonersatztherapie. Wenn die Wechseljahre – bis auf die Hitzewallungen und das Schwitzen – keinerlei eigenständige Symptome verursachen, dann muss man sie nicht wie eine eigenständige Krankheit behandeln. Die Einnahme von Hormonen ist aufgrund der Nebenwirkungen ohnehin hochumstritten.

Die Behandlung mit Östrogenen war in den 1960er-Jahren zu einer Standardtherapie geworden, mit der man nicht nur klimakterische Beschwerden therapieren, sondern die Frauen insgesamt jugendlicher erhalten wollte. Die Hormone sollten etwa die Lust auf Sex aufrechterhalten. Die Therapie galt als unkompliziert und sicher.

Hormontherapie mit starken Nebenwirkungen

Bis zum Jahr 2002, als eine große Studie herausfand, wie dramatisch die Nebenwirkungen der Hormone sein können. In der Studie der Women’s Health Initiative waren damals 16 000 Frauen untersucht worden. Die Einnahme der Ersatzhormone hatte bei ihnen das Risiko für Brustkrebs, Infarkte und Schlaganfälle um jeweils rund 30 Prozent erhöht. Komplikationen wie Beinvenenthrombosen und Lungenembolien traten bei Frauen, die Hormone einnahmen, sogar doppelt so häufig auf.

Diese Zahlen sind in nachfolgenden Studien etwas relativiert worden. Das Risiko bleibt. Nach der Studie von 2002 brach die Zahl der Hormonanwenderinnen ein. Mittlerweile weiß man, dass viele Nebenwirkungen von der Anwendungsweise abhängen. So ist beispielsweise die Thrombose-Gefahr geringer, wenn die Hormone nicht geschluckt werden, sondern über Pflaster oder Gels, also über die Haut, in den Körper gelangen. Das Brustkrebsrisiko steigt offenbar erst, wenn eine Frau die Hormone fünf Jahre lang einnimmt.

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Gesteigertes Krebsrisiko durch Hormontherapie

Eine Studie der Cancer Epidemiology Unit in Oxford hat den Gefahren kürzlich eine neue hinzugefügt. Die Hormoneinnahme erhöht auch das Risiko für Eierstockkrebs. Bereits dann, wenn eine Frau die Hormone kürzer als fünf Jahre einnimmt, steigt es um 43 Prozent, und es bleibt nach Abschluss der Behandlung erhöht. Studienleiter Richard Peto sieht es "sehr kritisch", dass in den USA und England die Zahl der Frauen, die sich Hormonersatztherapien unterziehen, wieder ansteigt. In Deutschland deutet sich ein ähnlicher Trendwechsel an.

Pflanzliches Östrogen kann helfen - ohne Nebenwirkungen

Dabei stehen für die Behandlung von Wechseljahresbeschwerden – den wenigen, die es tatsächlich gibt – auch nebenwirkungsärmere Optionen zur Verfügung. In Sojabohnen, Rotklee, Hopfen und Leinsamen sind sogenannte Phytoöstrogene enthalten. Die pflanzlichen Stoffe ähneln Östrogenen in ihrer Struktur und können sich an Rezeptoren für das Hormon im Körper binden. Die Pflanzenstoffe können Hitzewallungen und Schweißausbrüche dämpfen. Forscher aus Taiwan haben dafür gerade in einer Überblicksstudie klinische Belege vorgelegt. Ernsthafte Nebenwirkungen seien nicht zu befürchten, weil Phytoöstrogene abhängig vom Östrogenspiegel an den unterschiedlichen Stellen des Körpers wirken. Es bestehe nicht die Gefahr, dass der Organismus hormonell überschwemmt wird.

Alternative Heilmethoden gegen Hitzewallungen

Einige Frauen lassen sich gegen Schwitzen akupunktieren. Die Datenlage spricht allerdings für sich: Als man eine Elektroakupunktur mit einer Behandlung verglich, bei der die Nadeln nur oberflächlich gesetzt wurden und nach den Regeln der Akupunktur gar nicht wirken konnten, stellte sich heraus, dass die echte Nadel gegen Wechseljahresbeschwerden nicht besser wirkte als die falsche. Schlechter Schlaf, schlechte Laune, schlechter Sex sind zwar nicht den Wechseljahren anzulasten, aber es gibt diese Beschwerden. Auch Herzrasen und Gelenkschmerzen bilden sich die Frauen nicht ein. Wenn die körperlichen und seelischen Belastungen des Älterwerdens zu schwer werden, kann eine kognitive Verhaltenstherapie helfen. Das haben Forscher des King’s College in London in einer Studie nachgewiesen. In der Therapie lernten die Frauen, ihre Einstellungen, Gedanken, Bewertungen und Überzeugungen zu ihrem Körper zu verändern.

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Das ist ein Ansatz, den auch Psychologin Kerstin Weidner für sinnvoll hält, die nachgewiesen hat, dass es die Wechseljahre als gravierende Störung der Gesundheit gar nicht gibt. "Im Alter zwischen 45 und 65 befindet sich die Frau in einer Schwellensituation, die anfällig für Krisen ist", sagt sie.

Die Frau hat nie Kinder bekommen und weiß nun, sie wird keine mehr bekommen. Oder ihre Kinder werden erwachsen. Es ist eben nicht nur die Zeit, in der ein Hormonspiegel im Körper absinkt. Es ist die Zeit nach der Menopause, in der man sich überlegen muss, was man mit dem Rest seines Lebens anfangen will.