Mensch ärgere dich nicht

Was ist Wut? Die 4 Phasen der Wut und was dabei in uns passiert 

Sie ist eine mächtige Emotion – und eine unbeliebte. Denn wenn die Wut in einem hochkocht, läuft man Gefahr, den Kopf zu verlieren. Lernen Sie hier Tipps, mit Ihrer Wut besser umzugehen und dieser gewaltigen Emotion gelassen zu begegnen.

Wut
Was ist Wut und welche Bedürfnisse stecken dahinter? Foto: Francesco Carta fotografo/Getty Images
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Wut ist uns meist eher unangenehm – sowohl für den, der sie selbst empfindet, als auch für denjenigen, den sie trifft. Deshalb gehört wütend zu sein in der Regel zu den negativ bewerteten Emotionen. Das liegt vor allem daran, dass man nie so recht weiß, wohin mit den starken Empfindungen. Nicht nur Kinder überkommt der Frust- er ist in jeder Phase des Lebens ein Thema. Warum ist er vor anderen Menschen dann so tabuisiert?  Zwar sollten wir unseren Gefühlen freien Lauf lassen können, doch spätestens  bei aggressivem Verhalten müssen wir reflektieren.

Zwar ist das Thema Wut oft mit Kindern verbunden, ist die Trotzphase wohl jedem ein Begriff, sollten auch wir den Umgang mit unserer inneren Wut lernen. Denn obwohl sie oft mit Aggressionen konotiert und deshalb einen schlechten Ruf hat, begleitet uns die negative Emotion doch bis ans Lebensende. Und ein besserer Umgang mit ihr ist nicht nur gut für die anderen Personen in unserem Umfeld, sondern auch für unsere psychische Gesundheit. 

Kann Wut krank machen?

Wenn der Groll in einem hochkocht, scheint es zunächst schier unmöglich, einen klaren Gedanken zu fassen und in der jeweiligen Situation das eigene Verhalten zu beeinflussen. Schlecht kontrollierter Ärger kann aber dazu führen, dass wir Dinge sagen oder machen, die wir gar nicht so meinen und später bereuen. Die Beziehung zum Partner, zu den Kindern, Freunden und Kollegen wird dadurch jedoch dauerhaft geschädigt - auch wenn man sich im Nachhinein für den Wutausbruch entschuldigt. Mediziner haben zudem herausgefunden, dass häufige Wut eine mögliche Ursache für die folgenden körperlichen Beschwerden sein kann:

Häufig wütend zu sein kann darüber hinaus zu Erschöpfung, Angst und Depressionen führen. 

Wenn die eigene Wut uns nicht guttut

Wenn wir unsere innere Wut also besser nicht ausleben sollten, um unsere Gesundheit und die sozialen Beziehungen nicht zu gefährden, was macht man dann mit mit dieser starken Emotion? Sie unterdrücken oder besser vielleicht noch ignorieren? Einfach ein Poker Face aufsetzen, obwohl in einem drinnen der Ärger tobt?

"Das wäre ein Fehler", sagt Psychotherapeut Andreas Knuf: "Wut ist ein Teil unseres ureigenen Verhaltensrepertoires. Sobald wir versuchen, sie wegzuschieben, erzeugen wir Anspannung. Das strengt nicht nur an, sondern es erzielt auch überhaupt nicht die Wirkung, die wir uns erhoffen. Unterdrückte Gefühle verschwinden nämlich nicht. Im Gegenteil, sie halten länger an als Empfindungen, die wir aufrichtig fühlen. Die Gefühle aber einfach nur herauszulassen bringt wenig“, sagt Andreas Knuf. "Denn wenn wir großen Groll verspüren, provozieren wir gern Streit oder möchten einem anderen womöglich schaden. Starke Gefühle haben gelegentlich so viel Energie, dass wir unter ihrem Einfluss automatisiert handeln und regelrecht zu Robotern werden – oft zu unserem Nachteil und zum Leid anderer."

Der Umgang mit dem unangenehmen Gefühl ist also entscheidend. Die psychologische Forschung kommt bei diesem Thema zu dem folgenden Ergebnis: Dem Wutgefühl nicht nachgeben, aber der Ursache dafür nachgehen.

Es geht also nicht darum, an Ort und Stelle herumzutoben oder die Augen vor den eigenen emotionalen Reaktionen zu verschließen, man sollte vielmehr den Ursprung des Zorns verstehen. Nur so können Sie zukünftig besser mit dem Groll umgehen.

Tipps zum Umgang mit Zorn:

  • Warum reagiere ich gerade so wütend?

  • Was ist der wahre Grund für mein Verhalten und die starken Emotionen?

  • Welche Gefühle verbergen sich noch hinter meiner Wut?

  • Bin ich verletzt, fühle ich mich hilflos oder ungerecht behandelt?

  • Gab es eine ähnliche Situation in der Vergangenheit, die für mich besonders schlimm war?

  • Was bräuchte der "verletzte Teil" in mir gerade, um sich mehr wahrgenommen zu fühlen? 

  • Wie kann ich meinem Gegenüber mitteilen, wie ich mich gerade fühle ohne meine Wut an ihm auszulassen?

Die Wissenschaft des Grolls: Von den fünf Formen der Wut

"Ob es uns gefällt oder nicht, Ärger ist ein Teil unseres Lebens und ganze Systeme in unserem Gehirn sind damit befasst. Es ist wichtig den richtigen Umgang mit dem unliebsamen Empfindung  lernen und mit ihr zu arbeiten. Denn wenn wir nicht bewusst mit unserem Ärger umgehen und die Wut unterdrücken, kann er negative Wirkungen auf unsere psychische und physische Gesundheit haben", schreibt Russell Kolts, Psychologe und Professor an der Eastern Washington University.

Ärger kann sich auf vielfältige Weise ausdrücken. Wir haben Ihnen die vier bekanntesten Formen des Zorns zusammengestellt:

  1. Frustration: Da ist einmal die Frustration, wenn Sie hart arbeiten und die Dinge sich doch nicht so entwickeln, wie Sie es sich wünschen.

  2. Impulsive Wut: Außerdem gibt es die impulsive Wut, die ein Eigenleben zu haben scheint, so schnell und mächtig flammt sie auf.

  3. Selbstgerechter Zorn: Wenn Menschen Ungerechtigkeit erleben oder das Gefühl haben, dass ihnen Unrecht getan wurde oder jemand sie unfair kritisiert hat, kommt der selbstgerechte Zorn auf.

  4. Unterdrückte Angst: Außerdem kann auch unterdrückte Angst eine Ursache dafür sein, die uns wütend werden lässt.

  5. Gefühl der Ohnmacht: Wut entsteht auch aus einem Gefühl der Ohnmacht heraus, wenn Sie sich nicht gesehen oder gehört fühlen.

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Welches Bedürfnis steckt hinter Wut?

"Wir nennen die Ausdrucksformen der Wut Frustration, Gereiztheit oder Empörung. Aber all diese Erfahrungen sind Ausdruck des Systems in unserem Gehirn, das uns hilft, auf Bedrohungen und Gefahren zu reagieren." schreibt Russell Kolts. Dabei kann Ärger von unterschiedlicher Intensität sein, wobei Gereiztheit und Frustration sich am einen Ende des Spektrums und Wut und Zorn am anderen befinden. Doch welches Ausmaß die Wut auch annimmt, in welchem Gewand sie sich auch zeigt, man durchlebt immer verschiedene Phasen dieses Gefühls. 

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Die vier Phasen der Wut - So verläuft ein Wutausbruch

"Jedes Gefühl verläuft in einer Welle, es flutet heran und ebbt wieder ab. Gefühle entstehen und vergehen, kein Gefühl ist ewig. Wenn wir diese Erfahrung verinnerlicht haben, fällt es leichter, auch ungeliebte Gefühle wahr- und anzunehmen", sagt Psychotherapeut Andreas Knuf aus Konstanz. Dabei handelt es sich um diese vier aufeinander aufbauenden Wutphasen:

1. Die Signalphase: Wenn die Wut beginnt

Wut startet in der Amygdala (Mandelkern), einem Komplex von Nervenfasern im limbischen System des Gehirns. Von dort werden Informationen, die mit der Emotion einhergehen, über den Thalamus (größter Teil des Zwischenhirns) zum Cortex (Hirnrinde) weitergeleitet. Dieser arbeitet die psychologische Interpretation bzw. die Ursache des aufkommenden Gefühls aus, z.B. dass wir beleidigt oder provoziert worden sind oder dass uns auf andere Weise Unrecht widerfahren ist. Während die Amygdala das Wutgefühl sozusagen im Rohzustand liefert, steuert der Cortex eine Erklärung für die physiologischen Reaktionen bei, die wir erleben. Wir verspüren zunächst vielleicht ein leichtes Zittern, aufsteigende Wärme, einen Kloß im Hals.

2. Ausbruchsphase: Der Körper spielt verrückt

In der zweiten Phase fängt man an, sich wütend zu fühlen. Wie eine riesige Welle beginnt der Unmut uns zu durchfluten und verbreitet ein Gefühl tiefer Unruhe, manchmal auch der Ohnmacht. Neurologen sprechen von der Ausbruchsphase. Das Nervensystem ist aktiviert und chemische Substanzen wie Noradrenalin werden in den Blutkreislauf ausgeschüttet. Unser Herz beginnt zu klopfen, die Atemfrequenz erhöht sich und der Blutdruck steigt. Andere körperliche Veränderungen werden jetzt auch äußerlich sichtbar, wie zum Beispiel die Anspannung der Muskulatur und des Kiefers sowie weit geöffnete Augen. Der Körper macht sich quasi bereit für die Verteidigung.

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Die körperliche Mobilmachung ist vergleichbar mit einem Vulkan kurz vor dem Ausbruch. Viele Menschen wollen in dieser Spannungslage am liebsten Gläser gegen die Wand werfen oder zumindest mit der Faust auf den Tisch hauen. Aber: In dieser zweiten Phase fühlen wir uns von der Wut noch nicht vollends überrollt.

3. Eskalationsphase: Der Weg der Achtsamkeit

Rage und Aggressivität sind die Symptome in dieser Ärgerphase. Das Gefühl macht sich breit, einfach mal zuschlagen zu wollen oder gleich zu platzen. Erlebt man es, wenn man allein ist, schreit man auch gern mal los – im Stau zum Beispiel oder wenn die Bahn vor der Nase wegfährt und man auf jeden Fall zu spät zum Termin kommen wird. Aber wohin mit diesem negativen Gefühl, wenn man eben nicht allein ist? Macht es Sinn, sich auch in Gesellschaft Luft zu machen? Auch wenn Zorn  nicht immer direkt ausgelebt werden kann, sollten Sie dem Gefühl Raum geben, sagen Emotionsforscher, damit das Gehirn die Chance hat, die Information, die in dem Gefühl liegt, zu integrieren. Es ist also wichtig, die Situation frühzeitig zu verstehen und die Ursachen der der Wut zu erkennen, um dann den richtigen Umgang mit diesen starken Emotionen zu lernen.

Indem Sie die Wut bewusst wahrnehmen, aber ihr nicht die Kontrolle über Ihr Handeln geben, gehen Sie den Weg der Achtsamkeit.

Dabei sollten Sie folgendermaßen vorgehen:

  1. negative Gefühle wahrnehmen

  2. Ursachen für die Wut erkennen

  3. sie bewusst fühlen und akzeptieren

  4. souverän mit ihnen umgehen

  5. selbstbestimmt handeln

  6. Ursachen für Ihren Zorn bei einer Wut-Beratung ergründen

4. Nachbereitungsphase: Vom bejahenden Fühlen

Nach dem Wutanfall zieht sich die Welle wieder zurück, das eben noch so mächtige Gefühl wird schwächer, wir erlangen unsere innere Ruhe zurück und können wieder klarer denken. Nun ist es wichtig, dass wir uns nicht in Schamgefühle flüchten sonder "Ja!" zu dem sagen, was wir da gerade empfunden haben. Eine bejahende Haltung meint, für die gerade erlebte Emotion offen zu sein, sie sowohl in der Rückschau anzunehmen als auch in der Zukunft. "Dabei müssen wir nicht sagen: Oh, wie toll, da ist die Wut wieder, schön, dass du da bist", sagt Knuf. Sein Tipp: "Es reicht schon folgende Haltung: Okay, ich verspüre jetzt Wut. Und wenn du schon mal da bist, darfst du auch da sein und ich will mich auf dich einlassen."

Manchmal überkommt es uns und wir werden wütend. Umso wichtiger, sowohl für uns als auch für unseren Gegenüber, ist ein konstruktiver Umgang mit dem Ärger. Auch wenn wir auf die eigenen Gefühle und Bedürfnisse eingehen sollten, ist Aggression keine gute Lösung. Hören Sie in sich und prüfen Sie woher Ihre Wut kommt. Nachdem der Wutanfall vorüber ist, können Sie ganz bewusst auf diesen Wunsch oder das Problem eingehen.