Bewegende Beichte

Schicksal der Woche: "Ich bereue es Mutter geworden zu sein"

Marianne* (61) liebt ihre Tochter, würde sich aber trotzdem nicht noch einmal für ein Kind entscheiden.

Schicksal der Woche
Schicksal der Woche: "Ich bereue es Mutter geworden zu sein" Foto: Milkos / iStock
Auf Pinterest merken

In unserer Rubrik 'Schicksal der Woche' berichten Menschen anonym, über sensible Themen, die sie bewegen.

Auch spannend:

Das Schicksal dieser Woche: Eine Frau, die ihre Mutterrolle bereut.

Marianne* hat sehr jung geheiratet und wurde schwanger. Doch die Muttergefühle blieben aus. Die Situation schildert sie hier:

Kinder gehören doch dazu?

Um es gleich zu Beginn klarzustellen, ich liebe meine Tochter über alles. Doch ich empfinde durch sie oder besser gesagt durch die Mutterolle keine Erfüllung. Zumindest nicht so, wie die Gesellschaft es der aufopfernden Mutterrolle gern zuschreiben möchte. Und von dem geleitet habe ich mich damals für ein Kind entschieden. Ich habe vor vierzig Jahren geheiratet, da war ich gerade 21 Jahre alt. Kurz nach der Hochzeit ging die Fragerei los, wann es denn endlich so weit sei. Ich fühlte mich noch zu jung und wollte erst in meinem Beruf vorankommen. Doch auch da kamen immer mehr Bemerkungen, wie "Na du verlässt uns ja jetzt sowieso bald." Auch mein Mann wollte schnell Kinder und eine kleine Familie- es schien also für alle der nächste logische Schritt. Auch für mich, denn ich liebte meinen Mann und unser Leben. Und von allen Seiten hörten wir, dass nur noch ein gemeinsames Kind zum perfekten Glück fehlt.

Dann wurde ich schwanger

Wir versuchten also eine Familie zu gründen. Zunächst war ich sehr erleichtert, als ich nicht direkt schwanger wurde. Mir hätte damals eigentlich schon klar sein müssen, dass die Mutterschaft nicht meine Erfüllung wird. Aber mit wem hätte ich darüber reden sollen? Meiner Mutter, die sich unbedingt ein Enkelkind wünschte? Oder meinen Freundinnen, die mich alle um mein stabiles Eheleben beneidet haben? Und dann war die Entscheidung auch schon gefallen, denn ich wurde schwanger. Zu meiner Verwunderung blieb der erwartete Schock oder das Entsetzen aus. Viel mehr dachte ich mir: "Seid ihr jetzt alle zufrieden!?" Ich war fast erleichtert, endlich nicht mehr darüber nachdenken zu müssen, denn nun stand fest, dass ich Mutter werden würde.

 Ich dachte mir: "So, jetzt wird alles wahr, was die anderen gesagt haben. Ich werde mein Kind über alles lieben und endlich verstehen, was wahres Glück ist." Schließlich erzählt einem das ja jeder. Mit diesen Worten und den ganzen Glückwünschen zur Schwangerschaft war ich eigentlich fast zuversichtlich. Eine wirklich Freude kam aber nie auf. Rückblickend war es wohl eher das naive hoffen auf die Geburt- dann würde ich schon spüren, warum alle so vom Mutter sein schwärmen.

Und dann war sie da, nur das Gefühl blieb aus.

Ich musste zu viele Opfer bringen

Nach der Geburt habe ich aber gemerkt, dass es gar nicht so einfach ist. Ich liebte meine Tochter von Beginn an, doch die Opfer, die ich bringen musste waren im Rückblick einfach enorm. Es stand damals noch gar nicht zur Debatte, ob der Mann daheim bleibt- geteilte Elternzeit hätte ich mir nicht vorstellen können. Ich blieb also daheim und kümmerte mich um Kind und Haushalt. Während mein Mann Karriere machte und Freunde getroffen hat. Ich war noch so jung und plötzlich hatte ich nur noch diese eine Aufgabe: Mutter sein. Ich fühlte mich unglaublich eingeengt und ohne Perspektive. Und mein Kind konnte nicht einmal etwas dafür.

Meine Tochter war ein sehr einfaches Kind, sie hat kaum Ärger gemacht. Weder in der Schule noch Zuhause. Ich empfand ihre Betreuung trotzdem als Belastung. Mittlerweile ist sie erwachsen und hat eine eigene kleine Familie. Und etwas worum ich sie sehr beneide- eine Karriere und ein eigenes Leben. Sie teilt sich die Erziehung mit ihrem Mann, der ebenfalls in Elternzeit ging. Sie hatte nach der Schwangerschaft wieder die Möglichkeit in den Beruf zurückzukehren und wenn sie ausgehen möchte, übernimmt ihr Mann. Doch es gibt noch einen Unterschied: Sie ist im Gegensatz zu mir gerne Mutter.

Umso mehr ich sie mit ihren zwei Kindern sehe, desto mehr bereue ich es selber Mutter geworden zu sein. Ich sehe wie sehr sie die Zeit mit ihren Kinder genießt und wie sie in der Mutterrolle aufgeht. Auch beim 10. "Mama guck mal" strahlt sie ihre Kind an. Ich war nach dem zweiten Mal genervt. Meiner Tochter hat es nie an etwas gefehlt, ich habe mich immer gut um sie gekümmert. Sie beschreibt ihre Kindheit auch als sehr glücklich. Für mich war das Kümmern aber eher was, dass ich tun musste statt tun wollte. Blicke ich auf ihre Kindheit zurück sehe ich alles, was ich aufgegeben habe, damit sie es gut hat.

 

 Ich hab noch nie mit jemandem darüber gesprochen. Schon gar nicht mit meiner Tochter. Zu große ist die Angst vor Verurteilung. Warum fühle ich nicht so, wie die anderen Mütter fühlen? Mittlerweile kann ich damit Frieden schließen, da meine Tochter glücklich ist. Hätte ich aber nochmal die Chance würde ich mich gegen die Mutterschaft entscheiden.

*Enthält Affiliate-Links

*Name geändert