Darauf kommt's an

Brauchen Frauen andere Medikamente als Männer?

Männer sind anders, Frauen auch - doch das ist ausgerechnet in der Medizin noch nicht angekommen. Dabei ist es heute erwiesen, dass weibliche Körper auf Arzneien anders reagieren.

Brauchen Frauen andere Medikamente als Männer?
Brauchen Frauen andere Medikamente als Männer? Foto: fairywong / iStock
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Spezielle Medikamente für Frauen und eine Dosierungsanleitung für Frauen auf dem Beipackzettel: Das sind die Hauptziele der jungen Forschungsrichtung Gender-Medizin, also geschlechtsspezifischen Heilkunde. Warum wir so etwas brauchen? Männliche und weibliche Körper sind nun einmal verschieden, nicht nur von außen, auch von innen. Schließlich tragen Frauen und Männer auch nicht die gleiche Unterwäsche, warum sollten da die gleichen Medikamente passen?

Hormone machen den Unterschied

"Frauen haben einen anderen Stoffwechsel als Männer. Einige Wirkstoffe verarbeiten sie schneller, andere langsamer", erklärt Prof. Vera Regitz-Zagrosek vom Universitätsklinikum Charité, Berlin. "Das Problem: Neue Arzneien werden bisher stets an jungen Männern getestet. Dabei haben die nicht nur einen anderen Stoffwechsel, sondern auch einen anderen Hormonstatus als wir Frauen. Und der ändert sich bei uns zudem im Laufe des Lebens erheblich: durch die Regel, in den Wechseljahren und danach." Da erscheint es nur logisch, dass Arzneien dem angepasst werden. Die heute übliche Aufgliederung nach Gewicht, die auf den Beipackzetteln zur Dosierung zu finden ist, reicht bei Weitem nicht aus.

Video: Wussten wir es doch - Frauen brauchen mehr Schlaf als Männer

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In 5 Jahren: Beipackzettel für Frauen

Zum Glück gibt es Wissenschaftler wie Prof. Vera Regitz-Zagrosek. Sie ist Mitbegründerin der Gender-Medizin und seit 2007 Direktorin des ersten deutschen Instituts für medizinische Geschlechterforschung. Trotz dieser Erfolge wünscht sie sich, dass es in Sachen Gender-Medizin noch schneller voranginge. Immerhin ist in Deutschland jeder zweite Arzt weiblich. "Doch damit, dass man Frau ist, ist nicht unbedingt ein Problembewusstsein verknüpft", meint die Forscherin.

Wie sieht es speziell aus?

Bis sich für uns Patientinnen Resultate zeigen, dauert es noch. "Frühestens in fünf Jahren rechne ich mit ersten Dosierungsempfehlungen für Frauen auf Beipackzetteln. Aber die Industrie ist dran. Es braucht natürlich Zeit, bis ein neues Medikament die Marktzulassung erlangt", erklärt die Expertin. Und bis dahin? Halten wir bei jedem Mittel Rücksprache mit unserem Arzt und probieren, falls angeraten, eine geringere Dosierung. Bei frei verkäuflichen Arzneien, wie Kopfschmerztabletten, können wir auch einen Eigenversuch wagen. Und bei Pflanzenmedizin ruhig dem Beipackzettel vertrauen. Denn ernste Nebenwirkungen gibt es hier kaum.

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Auto-Immunerkrankungen

Es wird vermutet, dass viele Erkrankungen, bei denen sich das Immunsystem gegen sich selbst wendet, durch körpereigene und Stresshormone verstärkt werden. Auto-Immunerkrankungen treten bei Frauen weit häufiger auf. Die Gender-Medizin forscht deshalb intensiv zu rheumatischen Erkrankungen, zum Schilddrüsenleiden Hashimoto und zur Weißflecken-Haut.

Bluthochdruck

Einige Betablocker (Medikamente gegen Bluthochdruck) werden vom weiblichen Körper langsamer abgebaut. Darum kann es für Frauen sinnvoll sein, nach Absprache mit dem Arzt niedrigere Dosen zu nehmen.

Wichtig:

Herzschwäche

Männer entwickeln eher eine Störung der Pump-Funktion, bei Frauen ist meist die Dehnbarkeit des Herzmuskels gestört. Beide Formen können zu Invalidität im Alter führen, haben aber andere Wurzeln und müssen verschieden behandelt werden.

Depression

Im Leben jeder Frau gibt es Phasen, in denen sie besonders anfällig für eine Depression ist. Dazu zählen die Tage vor den Tagen, Schwangerschaft, Wochenbett und Wechseljahre. Auslöser sind oft hormonelle Ungleichgewichte. Hormone können aber mit Psychopharmaka interagieren. Das muss bei der Therapie bedacht werden.

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