Recht & Finanzen

Schonvermögen: Was passiert, wenn der Ehepartner ins Pflegeheim muss?

Was Sie selbst dazuzahlen müssen und in welchen Fällen sogar ein Hausverkauf droht, erfahren Sie im Text.

Video Platzhalter
Video: Glutamat

Für viele ältere Menschen wird das Schonvermögen zum Thema, wenn einer der Ehegatten gesundheitsbedingt in eine Pflege-Einrichtung ziehen muss. 

Die hohen Pflegekosten können dazu führen, dass Sozialhilfe beantragt werden muss. Viele Senioren fragen sich dann, wenn Rente, Pflegeversicherung und Erspartes nicht mehr reichen: Wie viel von meinem eigenen Vermögen/meinen Rücklagen, muss ich dazuzahlen, um die Pflegekosten abzudecken?

Angehörige fragen sich außerdem häufig, inwiefern sie sich mit ihrem Einkommen an den Kosten fürs Pflegeheim beteiligen müssen.

Im folgenden Text klären wir auf, was es rund um das Thema Schonvermögen im Pflegefall zu beachten gilt, welche Ansprüche Sie haben und wo Sie sich im Ernstfall beraten lassen können.

Liebenswert hat dafür mit Verena QuerlingJuristin bei der Verbraucherzentrale NRW und Referentin für Pflegerecht, gesprochen. 

Was ist das Schonvermögen?

Schonvermögen
Wer trägt die hohen Kosten, wenn der Partner ins Pflegeheim muss? Foto: iStock/eclipse_images

Beim Schonvermögen handelt es sich um bestimmte Freibeträge, die - nach dem Sozialrecht - nicht zum Bestreiten des Lebensunterhalts eingesetzt werden müssen, wenn Sozialhilfe beantragt wird. 

Welches Vermögen ist geschützt?

Im Gesetz (§90 SGB XII) ist ein Schonvermögen festgelegt. Dazu zählt seit dem 01.01.2023 ein Schonbetrag in Höhe 10.000 Euro für den Pflegebedürftigen, sowie auch für den Ehepartner. Ein Ehepaar hat demnach einen gesetzlich festgelegten Schonbetrag von 20.000 Euro, die nicht angerührt werden müssen. 

Eine selbstgenutzte Immobilie ist grundsätzlich ebenfalls geschützt. Dafür gibt es jedoch bestimmte Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen. 

 Das Haus bzw. die Wohnung muss als 'angemessen' beurteilt werden und von dem Ehe- oder Lebenspartner allein oder zusammen mit einem Angehörigen bewohnt werden. Dazu im Kapitel 'Ist mein Haus geschützt?' mehr. 

Wie hoch sind die Pflegekosten?

Pflege ist in der heutigen Zeit oftmals eine teure Angelegenheit. Laut dem Verband der Ersatzkassen (VDEK) liegt der Eigenanteil, der für den Aufenthalt in einem Pflegeheim durchschnittlich gezahlt werden muss, bundesweit pro Monat durchschnittlich bei 2411 Euro

 Wie viel finanzielle Unterstützung Betroffene erhalten, wenn ihr Ehegatte in ein Pflegeheim umzieht, ist von der jeweiligen Pflegestufe abhängig.

§ 2 SGB XII Grundsatz des Nachrangs

Für Sozialhilfe gilt in Deutschland der Grundsatz des Nachrangs. Das bedeutet, dass nur demjenigen geholfen wird, der sich nicht selbst helfen kann. Wem schon von anderer Seite geholfen wird, der hat keinen Anspruch auf Sozialhilfe.

In der nachfolgenden Tabelle finden Sie eine Übersicht über die Zuschüsse, die Pflegebedürftige - je nach Pflegegrad - vom Sozialamt bekommen. 

Auf welche Zuschüsse habe ich Anspruch?

Auf diese Zuschüsse haben Sie laut dem Bundesministerium für Gesundheit gesetzlichen Anspruch:

Pflegegrad 1 - 125 Euro monatlich (in diesem Fall ist die Aufnahme in ein Pflegeheim unwahrscheinlich, da diese Menschen in der Regel noch gut zuhause zurechtkommen) 

Pflegegrad 2 - 770 Euro pro Monat

Pflegegrad 3 - 1262 Euro pro Monat

Pflegegrad 4 - 1775 Euro pro Monat

Pflegegrad 5 - 2006 Euro pro Monat

Anspruch auf Leistungszuschlag

Gut zu wissen: Seit dem 1. Januar 2022 zahlt die Pflegeversicherung laut Sozialgesetzbuch (SGB) einen Zuschuss für Pflegebedürftige im Heim. Je länger Pflegebedürftige im Pflegeheim leben, desto höher ist der Zuschuss. Zum 1. Januar 2024 wird das Pflegegeld noch einmal um 5 Prozent ansteigen.

Er beginnt mit fünf Prozent des pflegerischen Eigenanteils (Pflegekosten) und steigt nach drei Jahren aufgrund des Pflegeunterstützungs- und Entlastungsgesetzes (PUEG) auf bis zu 70 Prozent des Eigenanteils.

Angehörige, die plötzlich einen Pflegefall in der Familie haben, sind mit der Situation häufig überlastet. Wie Kinder ihren Eltern helfen können, wenn es zum Ernstfall kommt, erfahren Sie in unserem Artikel: Was es bei einem Pflegefall zu beachten gibt 

Tipp für Angehörige: In einigen Pflegeheimen gibt es die Möglichkeit, vorzeitig einen Platz  zu reservieren. Ist es absehbar, dass ihr Ehepartner pflegebedürftig wird, kann es helfen, sich frühzeitig mit der Planung zu befassen. 

Müssen Angehörige und Kinder sich an Pflegekosten beteiligen?

Können weder der Pflegebedürftige noch der Ehegatte für die Pflegekosten aufkommen, stellen sich viele Kinder oder Angehörige die Frage, ob sie sich mit ihrem Einkommen und/oder Vermögen an den Pflegekosten ihrer Eltern beteiligen müssen. 

 Tatsächlich gibt es eine Regelung, in der erwachsene Kinder einen Teil der Kosten, den Elternunterhalt, an das Sozialamt zurückzahlen müssen. Elternunterhalt zahlen müssen seit dem 01.01.2020 jedoch nur die Kinder, die mehr als 100.000 Euro brutto im Jahr verdienen.

Kinder, deren Einkommen darunter liegt, sind demnach nicht unterhaltspflichtig und müssen somit keinen Unterhalt an ihre Eltern zahlen. In diesen Fällen übernimmt dann das Sozialamt. 

Das Sozialamt darf von unterhaltspflichtigen Personen Auskünfte zum Einkommen anfordern. 

 Bei Kindern, die den Elternunterhalt zahlen müssen, erfolgt die Berechnung der Höhe des Eigenanteils immer im Einzelfall. Diese richtet sich nach dem jeweiligen Einkommen und Vermögen des Kindes. Bei der Berechnung des Gesamteinkommens handelt es sich auch immer um einen Einzelfall. Auch hier empfiehlt es sich deshalb rechtzeitig rechtlichen Rat zum Thema Elternunterhalt einzuholen. 

Alles weitere zum Thema Elternunterhalt finden Sie hier:

Ist mein Haus geschützt?

Verena Querling ist Juristin bei der Verbraucherzentrale NRW. Als Referentin für Pflegerecht ist sie Expertin auf dem Gebiet und weiß: "Bei dem Wort 'angemessen' handelt es sich um ein Kriterium, was im Einzelfall zu prüfen ist." 

Die Kriterien

Es gibt mehrere Kriterien, die zur Beurteilung der Angemessenheit herangezogen und gegeneinander abgewogen werden. Dazu zählen: 

  • Anzahl der Bewohner

  • Wohnbedarf (z.B. pflegebedürftige Menschen haben speziellen Wohnbedarf)

  • Grundstückgröße

  • Hausgröße

  • Zuschnitt

  • Ausstattung des Wohngebäudes 

  • Wert des Grundstücks + Wohngebäude

Um ein Beispiel für ein Kriterium zu nennen- die Anzahl der Bewohner und ihr Bedarf wird wie folgt errechnet: 

  • Bei einer Wohnung gelten 80 m² für 2 Menschen als Richtwert.

  • Bei einem Haus liegt dieser Richtwert bei 130 m² für 4 Personen.

Pro Person weniger werden 20 Quadratmeter abgezogen. Wenn einer der Ehepartner also in ein Heim ziehen muss, verringert sich der Richtwert, der als angemessen gilt. Bei 80 m² liegt die Mindestgröße. Dieser Wert darf bei der Rechnung nicht unterschritten werden, selbst wenn nur noch einer der Ehegatten das Anwesen bewohnt. 

Lesen Sie hier noch mehr zum Thema: Angemessenheit des Hausgrundstücks

Was passiert, wenn die Immobilie als unangemessen eingestuft wird?

Sollte die Wohnung oder das Haus tatsächlich als 'unangemessen' eingestuft werden, bedeutet dies nicht automatisch die Verwertung der Immobilie. 

Juristin Querling rät Betroffenen: "Sie sollten sich beraten lassen, ob ein Härtefall (§ 90 Abs. 3 SGB XII) vorliegen könnte."

§ 90 Abs. 3 SGB XII

(3) Die Sozialhilfe darf ferner nicht vom Einsatz oder von der Verwertung eines Vermögens abhängig gemacht werden, soweit dies für den, der das Vermögen einzusetzen hat, und für seine unterhaltsberechtigten Angehörigen eine Härte bedeuten würde. Dies ist bei der Leistung nach dem Fünften bis Neunten Kapitel insbesondere der Fall, soweit eine angemessene Lebensführung oder die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung wesentlich erschwert würde.

Dieser Paragraf greift beispielsweise in Fällen, in denen außergewöhnliche Belastungen für Familienangehörige vorliegen. 

Außerdem wichtig: Nur weil ein Kriterium die Grenze der Angemessenheit überschreitet (z.B. Wohnbedarf), führt dies nicht automatisch zur Unangemessenheit

Alle Kriterien müssen gegeneinander abgewägt werden, weshalb eine Rechtsberatung sinnvoll ist. 

Was passiert, wenn das Eigenheim verwertet werden muss?

"Die pflegebedürftige Person, bzw. ihr Ehe-Lebenspartner muss nun einen Weg finden, das Hausgrundstück oder die Eigentumswohnung in Geld umzusetzen", so Querling. 

Hier gibt es laut der Juristin verschiedene Möglichkeiten. So kann die Immobilie verkauft, vermietet oder verpachtet werden. Darüber entscheidet der Vermögensinhaber grundsätzlich selber. 

§ 91 SGB XII

Sollte diese Verwertung nicht so schnell möglich sein, wenn zum Beispiel kein Käufer gefunden wird, kann gem. § 91 SGB XII die Sozialhilfe (Hilfe zur Pflege) vorübergehend als Darlehen gewährt werden.

Was kann ich tun, wenn ich mein Haus nicht verkaufen möchte?

Beispiel: Wird durch die Vermietung eines Teils des Hausgrundstücks, der Bedarf gedeckt, ist ein Verkauf nicht erforderlich. Eine weitere Möglichkeit wäre die Aufnahme eines Darlehens, aus dem die monatlichen Heimkosten bezahlt werden. 

Die Referentin für Pflegerecht weiß: "Es ist immer abhängig vom Einzelfall." Welche Variante man wählt, um das Haus zu verwerten, ist natürlich auch abhängig von der Höhe des Betrags, der monatlich an das Pflegeheim entrichtet werden muss. 

Fragen, die sich Betroffene stellen sollten

  • Würden Mieteinnahmen reichen, um die Pflegekosten zu decken?

  • Gibt es weitere Möglichkeiten, um die erforderliche Summe zu erreichen? 

  • Könnte es sinnvoll sein, ein Darlehen aufzunehmen?

In jedem Fall ist die Juristin sicher: "Man sollte sich beraten lassen." 

Ich möchte mein Haus, an meine Kinder vererben, was kann ich tun?

Eine Schenkung zu Lebzeiten kann eine Lösung sein, um dem Szenario der Haus-Verwertung zu entgehen. Doch daran muss man frühzeitig denken, weiß Querling: "Das Sozialamt kann Schenkungen in einem Zeitraum von 10 Jahren zurückfordern."

Die gute Nachricht: Das bedeutet nicht automatisch, dass die Bewohner des Gebäudes dann ausziehen müssen. "Hier kann man ein Wohnrecht oder ein Nießbrauch vereinbaren", so die Juristin. Dafür sollte man sich von einem Notar beraten lassen

Wie kann ich vorsorgen, um im Alter auf hohe Pflegekosten vorbereitet zu sein?

Die Schwierigkeit bei der Vorsorge besteht darin, dass im Voraus nicht klar ist, welche Pflegekosten im Laufe des Lebens anfallen werden. 

Querling: "In bestimmten Fällen kann eine private Vorsorge/private Pflegeversicherung sinnvoll sein." Die Juristin empfiehlt, sich hierfür an die Versicherungsberatung der Verbraucherzentralen zu wenden. 

Quellen

  • Bundesministerium für Gesundheit

  • HAUFE.

  • Sozialgesetzbuch (SGB)

  • Verband der Ersatzkassen (VDEK)

  • Verbraucherzentrale