Musiktherapie

Annette Frier über das Projekt 'Unser Chor für Menschen mit Demenz'

Im Interview mit Liebenswert sprach Annette Frier über ihr Chor-Projekt für Menschen mit Demenz.

Annette Frier, Chorleiter Eddi Hüneke und die Projektteilnehmer.
Annette Frier mit Chorleiter Eddi Hüneke und den Teilnehmern des Projekts 'Unvergesslich - Unser Chor für Menschen mit Demenz'. Foto: ZDF / Jan Rothstein
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Anfang 2020 startete das ZDF zusammen mit Schauspielerin Annette Frier und Sänger und Chorleiter Eddi Hüneke ein spannendes musikalisches Projekt. Sie gründeten einen Chor für Menschen mit Demenz und gingen dabei der Frage nach, ob es möglich ist, trotz vieler einschränkender Faktoren, die die Krankheit mit sich bringt, beim Singen wieder wache Momente des Glücks empfinden zu können.

Um die Antwort auf diese Frage wissenschaftlich untermauern zu können, wurde das Projekt von einem wissenschaftlichen Team aus dem Bereich Altersmedizin der Goethe-Universität Frankfurt begleitet. Die Teilnehmer des Chores, Menschen, die unter Demenz leiden, und ihre Angehörigen wurden dafür vor und nach jeder Chorprobe befragt und es wurden Cortisolspeichelproben durchgeführt. Die Forscher gingen in der begleitenden Studie der zentralen Frage nach, wie sich das Singen sowie die Teilhabe an einer Gemeinschaft auf die Lebenssituation demenziell veränderter Menschen und ihrer Angehörigen auswirkt.

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Drei Monate lang probte der Demenzchor zusammen mit Annette Frier, Eddi Hüneke und Sänger Max Mutzke, der gesangliche Unterstützung gab. Im Interview mit Liebenswert erklärte Annette Frier uns bereits im Februar, wie es zu diesem Projekt kam, wie sie diese emotionale und herausfordernde Reise zusammen mit Teilnehmern und Angehörigen erlebte und welche positiven Effekte mit der Musiktherapie erzielt werden konnten.  

Das geplante Abschlusskonzert, von dem häufiger innerhalb des Interviews die Rede ist, konnte aufgrund der Corona-Pandemie leider nicht stattfinden. Auf Nachfrage hat uns das ZDF jedoch bestätigt, dass für die vierteilige Reihe ein alternatives Ende gefunden wurde. Außerdem wurde uns die erfreuliche Nachricht mitgeteilt, dass der Chor und damit das Projekt gar nicht erst "zu Ende gebracht" wurde, sondern auch über die Sendung hinaus Bestand haben soll.

Sehen Sie im Video, mehr zum Thema Demenz: (Das Interview geht unter dem Video weiter)

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Video: Glutamat

Annette Frier im Gespräch mit Liebenswert

Liebenswert: Frau Frier, ein sehr spannendes Projekt von Ihnen ist 'Unvergesslich – Unser Chor für Menschen mit Demenz'. Wie ist das Projekt entstanden und was erwartet die Zuschauer?

Annette Frier: Es handelt sich bei dem Projekt um die deutsche Adaption des BBC-Factual-Formats 'The Dementia Choir' und ich habe durch die Produktionsfirma erfahren, dass es auch in Deutschland gemacht werden soll. Sie haben mir das englische Original gezeigt und ich war anfangs selbst sehr erstaunt darüber, dass man mich gefragt hat, weil ich ja gar keine Moderatorin bin. Ich habe mir etwas Bedenkzeit eingeräumt und fand es dann aber in sich so stimmig und sinnstiftend, dass ich mich dafür entschieden habe. Und genau dieses Gefühl bestätigt sich auch gerade. Demenz ist kein leichtes Thema, aber das Projekt ist maximal sinnvoll und für mich persönlich sehr bereichernd.

Die Beschreibung der vierteiligen Reihe klingt sehr emotional und berührend. Was haben Sie von den Dreharbeiten mitgenommen?

Ich kann eigentlich gar nicht von Dreharbeiten sprechen. Wir haben jeden Samstag Proben, sind mitten drin und haben in drei Wochen unser Abschlusskonzert (Das Konzert musste Corona-bedingt leider ausfallen, Anm. d. Red.). So langsam steigt die Spannung und unsere Solisten üben und üben und vergessen und vergessen. Und der Zusammenhalt in der Gruppe ist enorm. Das ist schon etwas ganz Besonderes. Anfangs hatte ich etwas Sorge, zu Leuten nach Hause zu fahren und sie zu so persönlichen Themen zu interviewen, vor allem wollte ich unbedingt vermeiden, dass diese Gespräche in irgendeiner Form voyeuristisch wirken könnten. Aber ich habe festgestellt, dass es sich bei den Betroffenen und ihren Angehörigen um Menschen handelt, die sehr bewusst die Entscheidung getroffen haben an dieser Sendung teilzunehmen. Sie wollen ein Signal senden, weil sie wissen, dass das Thema viele Leute beschäftigt. Außerdem glauben sie fest daran, dass Musiktherapie maximal hilfreich ist. Es ist keine zufällig zusammengewürfelte Truppe, sondern eher eine kleine Schicksalsgemeinschaft und das finde ich sehr schön.

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Haben Sie in Ihrem Familien- oder Bekanntenkreis Fälle von Demenz? Wenn ja, welche Erfahrungen haben Sie bisher mit der Erkrankung gemacht? 

Ich höre immer häufiger von Freunden oder Bekannten, dass vor allem deren Eltern betroffen sind. Als familiäres Beispiel fällt mir meine Großmutter ein. Ich war zwar damals selbst noch ein Kind, aber meine Großeltern waren alle vierzehn Tage bei uns zu Besuch und meine Großmutter hatte alle Symptome einer Demenz. Da habe ich dann erst mitbekommen, wie schwierig das Verhältnis zwischen meiner Mutter und ihrer Mutter durch die Erkrankung war. Für meine Mutter hat es viel Leid bedeutet, aber ich erinnere mich auch daran, dass wir mit meiner Oma oft gesungen haben. Mein Großvater hat dann am Klavier gesessen. Das waren immer die besten Momente.

„Es ist keine zufällig zusammengewürfelte Truppe, sondern eher eine kleine Schicksalsgemeinschaft und das finde ich sehr schön.“
Annette Frier

Können Sie denn schon einen Ausblick geben, welche Erfolge in dem deutschen Projekt mit der Musiktherapie erzielt werden konnten?

Wir warten derzeit noch auf unsere wissenschaftlichen Ergebnisse, die insbesondere die Auswirkungen auch auf die Angehörigen untersuchen, aber wir kennen natürlich die Ergebnisse der BBC-Dokumentation. Es gibt verschiedene Punkte, die total interessant sind: Viele wissen zum Beispiel nicht, dass das musikalische Gedächtnis woanders liegt, als das Gedächtnis für Namen oder motorische Tätigkeiten. Menschen mit Demenz haben durchaus Zugriff auf den musikalischen Teil. Außerdem gibt es ja gegen Demenz bisher wenig bis keine Medikamente. Wir wissen jedoch mittlerweile, dass wenn wir uns mit einem Demenzerkrankten aktiv beschäftigen und ihm Aufgaben stellen, die nicht unbedingt im kognitiven Bereich liegen, das Gehirn maximal angeregt werden kann. Und natürlich wird auch das Wohlbefinden enorm gesteigert.

Wie konnten Sie das feststellen?

Es gibt zum Beispiel sogenannte Stresstests bzw. Cortisolspeichelproben, die wir vor und nach dem Chor machen. Ich habe kürzlich mit einem der Wissenschaftler gesprochen und er hat die positiven Auswirkungen bestätigen können. In unserer Studie befragen wir wie gesagt auch die Angehörigen intensiv. Sie müssen die Situation dann auch immer aus ihrer Perspektive bewerten. Wir sind mitten drin im Prozess.

Wie stehen Sie dem Älterwerden gegenüber? Eher gelassen oder bereitet es Ihnen auch etwas Sorgen?

Skeptisch, aber auch optimistisch!

Die vierteilige ZDF-Reihe 'Unvergesslich – Unser Chor für Menschen mit Demenz' beginnt am Dienstag, dem 21. Juli 2020 um 22:15 Uhr im ZDF. Die weiteren Teile folgen am 28.07.20, 04.08.20 und 11.08.20 jeweils um 22:45 im ZDF.