Musiktherapie: So entspannen Sie mit angenehmen Klängen
Nichts wirkt so direkt und umfassend auf unser Gehirn wie Musik. Wie Sie mit Musiktherapie entspannen und dadurch psychischen Stress nachhaltig reduzieren
Sie wälzen sich nachts von einer Seite auf die andere, weil Sie von Schlafproblemen geplagt werden? Dann ist es eine gute Idee, mit Musik zu entspannen: Forscher der Semmelweis-Universität in Budapest haben nämlich herausgefunden, dass angenehme Klänge vor dem Einschlafen Stress reduzieren, den Atem regulieren und den Herzrhythmus beruhigen.
Untersucht wurden zwei Gruppen von Studenten: Eine hörte drei Mal wöchentlich klassische Musik vor dem Schlafengehen, die zweite lauschte Hörbüchern. Das Ergebnis: Die Schlafqualität der Musikgruppe hatte sich im Gegensatz zur Hörbuchgruppe stark verbessert.
Musik ist die geheime Brücke zu unserem Unterbewusstsein
Heute wird in über 300 Studien die heilende Kraft der Musik belegt – vor allem ihre Wirkung auf das Nervensystem, auf Schmerztoleranz und Stressminderung. Die Erklärung aus der Wissenschaft: Im Ohr wandeln feinste Haarzellen die eindringenden Schallwellen in elektrische Impulse um, die an das Hörzentrum des Gehirns weitergeleitet und dort als Töne wahrgenommen werden. Die elektrischen Impulse gelangen aber auch in das Limbische System, das Gefühlszentrum des Gehirns. Durch diese direkte Verbindung werden unsere Emotionen am unmittelbarsten über das Ohr ausgelöst.
Und so ist es auch mit der Musik. „Der Klang oder der Rhythmus dient als Brücke zum Unbewussten und den gesammelten Aufzeichnungen unserer Seele. Als Brücke zu dem Ort, wo viele unserer körperlichen und seelischen Blockaden ihren Ursprung haben und wo innere Selbstheilungskräfte unseren Gesundheitszustand entscheidend beeinflussen“, sagt Musiktherapeut Christian Münzberg.
„Klang und Rhythmus sind reale Lebenserfahrungen des Menschen. Deshalb repräsentiert ein Ton ein Stück Biographie, eine Episode unseres Lebens, die wir mit allen Gefühlen und Sinneswahrnehmungen wieder erleben. Es ist der Klang unseres Lebens.“
Wo Sprache an ihre Grenzen stößt, hilft Musiktherapie weiter
Auf diesen Zusammenhängen beruht dem Musikwissenschaftler Eckart Altenmüller zufolge die therapeutische Wirkung der Musik. Über Aktivitäten im Limbischen System können gezielt eingesetzte Musikschwingungen Blockaden lösen, harmonisierend auf unsere Körperenergien wirken und neue Vernetzungen im Gehirn verursachen.
„Neurobiologisch führen Glücksgefühle beim Musikhören zur Ausschüttung des Motivationshormons Dopamin und des Glückshormons Endorphin in den Belohnungszentren des Gehirns“, sagt Altenmüller. „Eine erhöhte Konzentration dieser Hormone stärkt das Immunsystem, indem sie die Bildung sogenannter Immunglobuline anregen. Das sind Eiweiße, die Krankheitserreger abwehren.“
Immer häufiger erzielen Musiktherapeuten beachtliche Erfolge mit der magischen Kraft der Musik. Und das gilt sowohl für die aktive Musiktherapie, bei der gesungen und musiziert wird, als auch für die rezeptive, bei der Musik nur gehört wird. So gilt Musik bei Alzheimer- und altersdementen Patienten als Königsweg. Denn sie kann bei ihnen die Synapsen (Nervenverbindungen) im Gehirn beleben und mentale Aktivitäten anregen.
„Wo Sprache an ihre Grenzen stößt und Orientierung schwindet, vermag Musik die Isolation zu durchbrechen. Das Musikhören und Singen in vertrauter Atmosphäre stimuliert das Gedächtnis und stellt Kontakt her“, sagt Altenmüller. Auch bei der Rehabilitation von Schlaganfallpatienten setzt er erfolgreich Musik ein.
In Studien untersuchten Forscher, wie sich das Training mit Musik auf das Wiedererlernen von Bewegung auswirkt. Die Erkenntnis: Unser Gehirn passt sich an die Sonderanforderungen beim Musizieren an. Dabei findet eine Vernetzung des Gehörs mit dem Bewegungszentrum statt.
Musiktherapie gegen den Schmerz
Das Hören von Musik in einem therapeutischen Zusammenhang wird als „rezeptive Musiktherapie“ bezeichnet. Dabei muss man aber bedenken, dass das Hören von Musik alles andere als passiv ist: Unser Gehirn muss die spärliche Information von den etwa 3.000 inneren Haarzellen des Innenohrs erst auswerten und mit Assoziationen verbinden.
Musikhören ist immer auch Gehörbildung, Erzeugen von Hörerwartungen, von Überraschungen und von musikalischen Gedächtnisspuren. Es werden dabei Emotionen, Aufmerksamkeit, aber auch Bewegungszentren, Sprachzentren und Gedächtniszentren angesprochen. Daraus erklärt sich auch, dass das tägliche Hören von ein bis zwei Stunden Lieblingsmusik nach einem Schlaganfall zu einer Verbesserung der Aufmerksamkeitsspanne, der Sprachkompetenz und des Gedächtnisses führt.
Bei leichten bis mittelschweren Depressionen kann das regelmäßige Hören von Musik zu einer erheblichen Stimmungsverbesserung führen und auch Medikamente einsparen. Dies wird mit der emotional positiven und aktivierenden Wirkung der Musik erklärt.
Auch in der Narkoseeinleitung und in der Schmerztherapie kann Musik segensreich wirken und Narkosemittel und Schmerzmedikamente einsparen. Hier beruht der Effekt wohl darauf, dass Musik die Aufmerksamkeit vom Schmerz ablenkt, positive Emotionen erzeugt und durch Assoziationen mit guten Erlebnissen eine Erinnerungsspur erzeugt, die aus schmerzfreien Zeiten stammt.
Wer Musik hört, kann nicht unglücklich sein
Überhaupt sind musikalische Erlebnisse stark im emotionalen Gedächtnis verhaftet. Sie können oft noch nach Jahrzehnten ganze Erinnerungsstürme auslösen. Dies macht man sich in der Musiktherapie mit Alzheimer-Patienten zunutze, die oft schwerste Gedächtnisausfälle haben, aber über stabile Erinnerungen an Kinderlieder und frühere „Hits“ noch motorisch aktiviert und emotional berührt werden können.
Es gibt nichts, was im Gehirn stärker verankert ist als vertraute Musik. Grundsätzlich ist deshalb bei der rezeptiven Musiktherapie die Musik individuell auszuwählen, da jeder Mensch eine unterschiedliche musikalische Biografie hat. Eine allgemeingültige musikalische Hausapotheke gibt es also nicht. Wirkung erzielt die Musik, die wir mögen – und zwar eine erstaunliche.
So zeigen Studien des Neurologen Dr. Georgi Losanov, dass allein durch das Hören von Musik im Gehirn neue Datenbahnen angelegt werden, sodass sich dessen Speicherkapazität um 30 Prozent erhöht. Wissenschaftler der Uni Frankfurt fanden wiederum heraus, dass Chorsingen der beste Schutz vor Erkältungen ist.
Die Forscherin Betty Bailey sieht im Singen den wirksamsten Schutz vor Burn-out. Denn Melodie, Rhythmen, Harmonie und Dynamik verändern unsere Gehirnchemie auf magische Weise. „Wenn wir mit Freude singen, führt dies im Gehirn zu einer Reduktion des Stresshormons Adrenalin und zur Produktion eines Glückscocktails, der die Botenstoffe Betaendorphin, Serotonin und Noradrenalin enthält. Wer singt, produziert sein eigenes Antidepressivum.“ Wenn das nicht mehr als genug Gründe sind, um sich öfter der Musik hinzugeben ...
Video: Warum Babys Musik brauchen
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Quelle: Magazin TV Hören und Sehen