Offene Worte

Isabel Varell: "Ich habe gelernt, meiner Mutter zu verzeihen"

Heute ist Isabel Varell mit sich im Reinen. Dafür musste die Schauspielerin erst mit ihrer Vergangenheit und ihrer Mutter Frieden schließen.

So kennen wir Isabel Varell: Strahlend und optimistisch.
So kennen wir Isabel Varell: Strahlend und optimistisch. Foto: Marc Pfitzenreuter / Getty Images
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Nicht gut behandelt zu werden, hat Isabel Varell in ihrem Leben intensivst erleben müssen. Als sie ein Kind war, verließ der Vater die Familie und Isabel war den psychischen und physischen Ungerechtigkeiten ihrer Mutter alleine ausgeliefert. Unglückliche Männergeschichten folgten. Es hat Zeit gebraucht, das zu verarbeiten. Mit MEINS sprach die Schauspielerin ganz offen über ihren Lebensweg.

MEINS: Liebe Isabel, wer hat dir die Liebe beigebracht?

Isabel Varell: Das ist eine total schöne Frage, die muss ich erstmal sacken lassen. (sie lächelt) Ich kann nicht sagen, dass meine Mutter nicht daran beteiligt war. Sie war Zuckerbrot und Peitsche – sie konnte in den Arm nehmen, so wie sie auch verhauen konnte. Aber heute weiß ich: Meine Mutter meinte wahrscheinlich nicht mich, sondern meinen Vater…

MEINS: Es war sicher schwer für dich, Vertrauen zu entwickeln…

Isabel Varell: Ich konnte als junge Frau nicht so lieben wie heute. Die Qualität der Liebe nimmt mit dem Alter zu. Wir lassen die Liebe eher zu. Aber es gibt Menschen, die sehen sich zeitlebens als Opfer – das ist ein leichter Weg. Dabei muss jeder von uns zuerst bei sich selbst aufräumen.

MEINS: Wie hast du es geschafft, deine Seele zu reinigen?

Isabel Varell: Wenn man durch Kummer gegangen ist, verlassen, betrogen, belogen und hintergangen wurde, dann kann man kann man nicht nur auf die bösen Schweine schimpfen. Man muss sich Fragen stellen: Warum habe ich so vertraut? Was hat mir damals so gut gefallen? Was habe ich in dem Menschen gesucht? Sich genau betrachten und bespiegeln – das hilft! Nur so kann man sich lieben lernen, denn wir selbst sind unsere größte Liebe – und nur so können wir Liebe geben!

MEINS: Ab welchem Alter hast du aufgehört, deine Mutter für dein Leben verantwortlich zu machen?

Isabel Varell: Ich habe das noch immer nicht so ganz geschafft. Ich bin ja auch kein Übermensch. Ich habe heute noch meine Wutmomente, wenn ich zum Beispiel ein kleines Mädchen sehe und mich frage, wie kann man so grausam zu Kindern sein, die so schwach sind? Aber man muss es sich selbst verzeihen, dass man nicht ganz vergessen kann.

MEINS: Schmerzt es dich, kein Urvertrauen erlebt zu haben?

Isabel Varell: Ich glaube, ich habe das trotzdem in mir. Ich glaube an das Gute im Menschen!

MEINS: Würdest du deine bitteren Erfahrungen als Teil deines inneren Reichtums verstehen?

Isabel Varell: JA! Ich glaube, dass diese Schwankungen, die in die Tiefe gehen, mein Leben bereichern. Nur so kann ich immer wieder oben auf dem Berg stehen, die tolle Aussicht genießen und mir sagen: Guck, du warst ganz da unten im tiefen Tal und hast es bis hier oben geschafft.

MEINS: Dein Vater hat euch verlassen, als du 9 warst. Erst 30 Jahre später hast du ihn wieder getroffen…

Isabel Varell: Und genau das kann ich mir nicht so recht verzeihen. Früher hat meine Mutter mir gedroht, keinen Kontakt zuzulassen. Ihr schlimmster Satz war immer: Du bist wie dein Vater! Das hat mich lange gelähmt. Als ich meinen Vater dann mit Ende 30 richtig kennenlernte, habe ich wie in einen Spiegel gesehen: so ein toller, humorvoller Mensch, eine echte Feiernudel. Wir hatten bis zu seinem Tod noch drei Jahre miteinander – das war schön.

MEINS: Bist du deiner Mutter trotzdem für etwas dankbar?

Isabel Varell: Meine Mutter stand nach der Scheidung mittellos da, wir hatten kaum Geld. Dadurch war sie immer sehr auf Sicherheit bedacht. Das habe ich von ihr übernommen. Und heute bin ich froh, dass ich finanziell unabhängig bin. Das Thema Altersvorsorge ist ja sehr unsexy, aber ich habe immer für mich gesorgt und war geradezu besessen davon, nie von einem Mann abhängig zu sein. Ich bin eine selbstständige Frau und arbeite gern.

MEINS: Hast du Bange, so zu werden wie deine Mutter?

Isabel Varell: Wir alle haben unsere Eltern in uns! Es gibt da so eine bestimmte Lache an mir, da höre ich meine Mutter. Und manchmal sehe ich auf Fotos die Ähnlichkeit. Damit muss man sich anfreunden. Aber ich bin ein völlig anderer Mensch und werde definitiv niemals so wie sie!

MEINS: Konntest du deiner Mutter nach ihrem Tod verzeihen?

Isabel Varell: Ich weiß heute: Meine Mutter hatte keinen leichten Weg und auch sehr strenge Eltern. Ich kann ihr verzeihen, aber es gibt eben diese Momente, in denen ich mich verzweifelt frage: Wie kann das gewesen sein? Das lässt mich nicht los.

MEINS: Wie holst du dich da raus?

Isabel Varell: Ich sehe das Positive: Ich bin ein Glückskind! Mein Leben ist eine wunderbare Reise.

MEINS: Hat dich diese Missachtung in deiner Kindheit angespornt, immer erfolgreicher zu werden?

Isabel Varell: Ich habe da viel drüber nachgedacht und ich glaube, du hast recht. Irgendwas in mir sagt immer: Euch werde ich es zeigen! Das zieht sich durch mein Leben. Ich bin nicht verbissen ehrgeizig, aber ich möchte meinen Job gut machen…

Von 2009 bis 2010 spielte Isabel Varell dir Rolle derAndrea Weller in 'Rote Rosen' (unter dem Video geht der Artikel weiter).

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MEINS: Was würdest du deiner Mutter heute sagen wollen?

Isabel Varell: Ich glaube, meine Mutter war ein getriebenes Wesen. Ich würde ihr sagen: Versuche doch mal, in dir selbst Liebe zu finden.

MEINS: Dein Ehemann Pit Weyrich ist 13 Jahre älter als du. Suchst du ein bisschen das Beschützende?

Isabel Varell: Da ist auf jeden Fall ein Fünkchen Wahrheit dran – ich habe mich immer an reiferen Männern orientiert. Mit meiner Geschichte suchst du einen Vater – der hat mir sehr gefehlt.

MEINS: Aber selbst wolltest du nicht Mutter werden?

Isabel Varell: Nein, ich habe einen gesunden Egoismus. Ich wollte nicht erziehen müssen und vielleicht war da auch unterbewusst die Angst, keine gute Mutter zu werden. Aber ich bin sehr glücklich in meinem Leben – besonders über die Freiheiten, die ich habe. Und ich glaube nicht, dass ich es je bereuen werde. Obgleich man oft sagt: Dann biste im Alter alleine. Was für ein Quatsch! Dafür kann man doch keine Kinder machen. Ich habe so viele liebe Freunde – ich werde nie alleine sein.

MEINS: Das liegt sicher an deiner warmherzigen Art…

Isabel Varell: Das mag sein. Ich hatte immer etwas Mütterliches. Ich stehe anderen gerne bei, höre zu, und bin fürsorglich. Man ist ja auch für seinen Mann nicht immer nur die Geliebte, sondern auch mal der Kumpel – oder die Mutter. Ich bin gerne ein Gentleman für meine Lieben.

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