Wenn Kinder ihren Eltern das Herz brechen
Wenn wir enttäuscht sind von unseren erwachsenen Kindern, können die negativen Gefühle schmerzhaft sein.
Ob Job, Partnerschaft oder Familie – Erwartungen und Enttäuschungen sind ein großes Lebensthema. Sie tauchen überall auf, wo Menschen miteinander in Beziehung stehen. Besonders anfällig für Enttäuschungen ist das Verhältnis von Kindern und Eltern – denn ein engeres gibt es nicht. Lesen Sie hier, wie Sie damit umgehen können, wenn Sie enttäuscht sind von Ihren erwachsenen Kindern. Zu diesem kniffligen Thema hat Liebenswert auch mit Psychologin Christine Geschke gesprochen.
Christine Geschke
Dipl.-Psycholgin
Paartherapeutin mit eigener Praxis in Hamburg-Eppendorf
Die Stolpersteine in der Beziehung zum Kind
Hier sind es oft nur kleine Momente im Alltag, die für Missstimmung sorgen. Wenn die Kinder den Muttertag vergessen oder den Geburtstag. Oder wenn sie später, wenn sie aus dem Haus sind, zu selten anrufen oder keine Zeit haben für das traditionelle Weihnachtsessen. Oft vergeht der Unmut darüber nach einer Weile. Manchmal aber werden nicht erfüllte Erwartungen als schwerwiegender empfunden und können die Beziehung auf Dauer belasten, schlimmstenfalls sogar dazu führen, dass Familien auseinanderbrechen.
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Der Grundstein der Enttäuschungen wurde in der Kindheit gelegt
Woran liegt es, dass uns die Enttäuschungen, die uns von unseren Kindern bereitet werden, so sehr schmerzen können? Dafür gibt es sicherlich verschiedene Gründe. Zum einen sind unsere jetzt erwachsenen Kinder früher kleine Kinder gewesen, für die es ganz selbstverständlich war, dass sie unsere Erwartungen erfüllten, weil sie uns gefallen wollten. Und selbstverständlich brauchten sie unsere Aufmerksamkeit, unseren Schutz und unser Urteils- und Entscheidungsvermögen, um sich gefahrlos durch die Welt zu bewegen. Es freut uns später, wenn unsere Kinder selbstständig werden. Aber natürlich kann es auch wehtun, wenn wir erkennen müssen, dass unsere Kinder zu eigenständigen Individuen heranwachsen, ihr Schicksal in die eigene Hand nehmen und sich nicht länger an unseren Wünschen orientieren wollen. Wie können beide Seite nun mit der Situation umgehen? Hier erklärt die Expertin:
"Zunächst ist es in Ordnung und normal, dass Eltern enttäuscht sind, wenn die Kinder einen anderen Weg eingeschlagen haben. Wichtig ist nur, diese Enttäuschung nicht als Vorwurf an die Kinder zu bringen. Besser ist es, die Erwartung zunächst wertfrei zu hinterfragen. Sonst entsteht eine negative Dynamik, in der Eltern die Selbständigkeit der Kinder als Undankbarkeit erleben. Enttäuscht man die eigenen Eltern ist das auch für Kinder schwer, denn schließlich sehnen wir uns nach elterlicher Liebe und Wertschätzung. Da es normal ist, denn Eltern "gefallen" zu wollen, können hier dann schnell Schuldgefühle entstehen. Dabei ist es auch von Seiten der Kinder völlig legitim, wenn diese ihren eigenen Weg gehen. Und Schuld kann diese Entwicklung stören."
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Was kann ich von meinem Kind erwarten?
Zum anderen gehen wir natürlicherweise davon aus, dass emotionale Verbundenheit immer etwas Wechselseitiges ist. Wenn ich einen Freund in der Not unterstütze, gehe ich davon aus, dass er auch mich unterstützen wird, wenn ich seine Hilfe brauche. In Freundschaften ist diese Erwartung meist berechtigt, aber eben nicht in der Beziehung zu den eigenen Kindern. Wenn man Eltern fragt, wie viel sie unternehmen würden, um ihr erwachsenes Kind zu unterstützen, wird man nicht selten als Antwort "Alles!" erhalten. Und intuitiv würden wir denken: Das ist eine gute Antwort. Wenn aber ein erwachsenes Kind das Gleiche antwortet und "alles" unternehmen würde, um einen Elternteil zu unterstützen, würden wir zu Recht misstrauisch reagieren. Denn "alles" zu geben bedeutet, sich selbst aufzugeben, und dazu sollte sich kein Kind aufgefordert fühlen. Es ist vom Leben so gewollt, dass wir unsere Kinder mehr lieben als sie uns. Wenn wir von unseren erwachsenen Kindern enttäuscht werden, sollten wir uns das immer bewusst machen.
Enttäuschungen können Chancen für eine Weiterentwicklung sein
Eine Krise zwischen Eltern und Nachwus muss aber keineswegs das Ende bedeuten. Denn Krise und Entwicklung gehören zusammen … nicht nur in der Partnerschaft, sondern auch zwischen Eltern und Kindern. Es gilt, immer wieder offen für Um- und Neugestaltung zu sein. Jede Enttäuschung kann auch immer eine Chance sein, innezuhalten, die eigenen Werte und Wünsche zu überdenken und die Beziehung neu zu gestalten. Frau Geschke zeigt im Gesürch auf:
"Durch Kommunikation muss erfragt werden, woher die unterschiedlichen Vorstellungen kommen. Eltern sollten sich auch immer bewusst machen, dass die Selbständigkeit der Kinder nicht als geringe Wertschätzung ihnen gegenüber gemeint ist. Meldet sich das Kind nicht oft genug, hat das meist keinen bösen Hintergrund. Ist das Kind im Job oder der eigenen Familie gerade sehr eingespannt? Dann fehlt wahrscheinlich einfach nur die Kraft für einen Besuch oder Anruf"
Enttäuschung über den Sohn, der kein "richtiger Mann" sein kann, die Tochter, die die Pflege des an Alzheimer erkrankten Vaters verweigert, der Schmerz über distanziertes, liebloses Verhalten der Kinder – damit muss man erst mal fertigwerden. In Situationen, in den die Familie nicht auf einen grünen Zweig kommt, rät die Psychologin: "Können die Konflikte partout nicht in Gesprächen geklärt werden, sollte sie sich die Familie professionelle Hilfe suchen."