Der Aktenzeichen XY-Moderator im Interview

Rudi Cerne: "Die Hoffnung stirbt zuletzt und darum machen wir auch immer weiter"

Der 'Aktenzeichen XY'-Moderator über seinen Job, Zukunftspläne und wie er es schafft, nach der Arbeit abzuschalten.

Rudi Cerne moderiert seit 2002 'Aktenzeichen XY'
Rudi Cerne moderiert seit 2002 'Aktenzeichen XY' Foto: ZDF/Nadine Rupp
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Seit mittlerweile über 20 Jahren ist Rudi Cerne das Gesicht von 'Aktenzeichen XY'. Im Interview mit Liebenswert spricht er nun über die Arbeit hinter den Kulissen und blickt zurück auf Fälle, die ihm unter die Haut gingen.

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Außerdem verrät er, warum er das Jobangebot - Moderator von Aktenzeichen XY zu werden - zunächst für einen Scherz hielt und wie es um seine Zukunftspläne steht.

Rudi Cerne: Sein Highlight in 20 Jahren 'Aktenzeichen XY'

Gibt es einen Moment, an den Sie sich in über 20 Jahren 'Aktenzeichen XY' besonders gerne zurückerinnern?

Rudi Cerne: Das sind die Momente, in denen Fälle gelöst werden. Die Statistik ist beachtlich: 40 Prozent der Fälle, die bei Aktenzeichen gezeigt wurden, sind – früher oder später – gelöst worden.

Wie gefällt es Ihnen – im Vergleich zum Fernsehen – einen Podcast zu moderieren?

Eine neue Herausforderung. Für viele ist es noch intensiver als die Fernsehsendung, weil die Vorstellungskraft – ähnlich wie beim Lesen eines Buches – nochmal mehr gefordert wird.

Für mich ist das eine ganz neue Erfahrung und es ist natürlich ein ernstes Thema.

Sie sagten es gerade, ein Podcast ist für die Zuhörer durchaus intensiver. Wie ist es mit Ihnen, Sie beschäftigen sich nun 45 bis 60 Minuten mit nur einem Fall. Gehen einem solche Fälle dann näher?

Der entscheidende Faktor ist, dass wir sehr viel Zeit haben. Wir müssen nicht auf die Uhr schauen. Das heißt, wenn uns eine Passage sehr interessant erscheint, fragen wir einfach weiter nach. Dadurch tauchen wir nochmal mehr in diese Situation ein. Das ist intensiv und sehr emotional.

„Fälle wie die des Tristan Brübach gehen natürlich unter die Haut“
Rudi Cerne

Wenn wir so einen Fall dann nochmal aufleben lassen, unlängst sprachen wir über Tristan Brübach, der auf schlimmste Art und Weise getötet wurde, dann geht einem so etwas natürlich unter die Haut. Der Täter ist bis heute nicht gefasst worden und der zuständige Ermittler war bei uns im Studio. In solchen Momenten hofft man natürlich, dass vielleicht ein Mitwisser zuhört, dem so etwas den Anstoß gibt, endlich auszupacken. Denn wir wissen aus der Erfahrung: Ganz oft bleibt ein Täter mit seinem Wissen nicht allein.

Entweder er offenbart sich, oder er beichtet sein Vergehen. Wenn wir mit unserer Sendung Mitwisser sensibilisieren können und sie so zum Gestehen bringen, wäre es großartig. Die Hoffnung stirbt zuletzt und darum machen wir auch immer weiter.

So schafft Rudi Cerne es, nach der Sendung abzuschalten

Wie schaffen Sie es – nach solchen besonders schlimmen Fällen - nach der Arbeit abzuschalten?

Ich habe da merkwürdigerweise einen guten Mechanismus. Ich mache es den Ermittlern gleich, die haben mir von Anfang an gesagt: „Sie dürfen das alles nicht zu nah an sich herankommen lassen, sonst kommen Sie nicht in den Schlaf.“

Und das gelingt mir ganz gut. Ich habe da keine besondere Routine, dass ich sage, ich muss abends nochmal um die Häuser ziehen oder ich brauch noch ein kühles Getränk (lacht). Ich packe die Sendung nach der Ausstrahlung nicht “wie einen Anzug in den Schrank“, aber es gelingt mir trotzdem ganz gut emotional abzuschalten.

Mit dem Podcast erreichen Sie nun auch noch ein deutlich jüngeres Publikum, gibt es etwas, dass Sie diesem gerne mit auf den Weg geben würden?

Das ist eine schwierige Frage. Ich bin nicht der Zeigefinger-Journalist, der Leute mahnt oder ihnen vielleicht sogar Angst einflößt. Aber ich glaube, es ist ganz gut, mit einer gewissen Vorsicht und mit offenen Augen durch die Welt zu gehen. 

Wieso sind solche Spezial-Ausgaben so wichtig?

Internetbetrug hat Hochkonjunktur. Ich bekomme regelmäßig Nachrichten wie: „Papa, ich habe mein Handy verloren, hier ist die neue Nummer. Ruf mich doch mal an.“ Das lösche ich, ohne mit der Wimper zu zucken sofort. Das passiert im Augenblick vielen und genau deshalb warnen wir auch immer wieder davor.

Wenn Spezialausgaben wie ‚Vorsicht, Betrug!‘ ausgestrahlt werden, bleibt das Telefon nicht still. Permanent rufen Menschen an, die Opfer solcher Betrugsmaschen geworden sind. Sei es Love Scamming, eine falsche Partnerbörse oder diese Fake-Nachrichten, die nur durchs Anklicken verheerende Folgen haben können.

Ich gehe ohnehin nicht mehr ans Telefon, wenn ich die Nummer nicht kenne. Denn schon ein falsches ‚Ja‘ zum falschen Zeitpunkt kann einen in einen blöden Vertrag reinzwingen. Genau davor wollen wir unsere Zuschauer immer wieder warnen.

Herr Cerne, wieso ist True Crime aktuell so gefragt?

Mittlerweile gibt es viele verschiedene Aktenzeichen XY-Ableger. Was glauben Sie, warum ist das Interesse an True Crime aktuell so stark? Wird die Welt, in der wir leben gefährlicher?

Auch das ist eine spannende Frage, die ich gar nicht wirklich beantworten kann. Ich bekomme natürlich mit, dass True-Crime-Sendungen oder Podcasts sehr häufig produziert werden. Der Faktor der Warnung oder Sensibilisierung spielt eine große Rolle.

Ich glaube auch, dass Krimis schon immer gerne gesehen wurden. 'Aktenzeichen XY' gibt es nun schon seit 1967, gerade blüht die Sendung mal wieder auf. Und es gibt viele Nachahme, manche mit mehr, manche mit weniger Erfolg.

Wenn Kolleginnen oder Kollegen mitmachen, dann kann uns das gegenseitig nur helfen. Warum das Phänomen jetzt allerdings im Moment so 'en vogue' ist, das kann ich Ihnen gar nicht sagen.

So beeinflusst sein Job den 'Aktenzeichen XY'-Moderator privat

Gibt es Dinge, die Sie durch Ihre Arbeit als 'Aktenzeichen XY'-Moderator skeptischer oder kritischer sehen als früher?

Nicht kritischer. Ich bin von Haus aus kein ängstlicher, aber ein vorsichtiger Mensch. Meine Vorsicht ist durch 'Aktenzeichen XY' im Prinzip bestätigt worden.

Wie sieht die Vorbereitung für eine Podcast-Folge aus?

Wir haben ein exzellentes Team und auch ich gebe immer wieder Vorschläge. Wir haben ein Füllhorn an Vorlagen durch 'Aktenzeichen XY' und da liegt es auf der Hand, diese Folgen noch einmal ausführlicher zu besprechen, mit betroffenen Personen. Dazu gehören Ermittler oder Staats- und Rechtsanwälte, aber auch Angehörige.

Unlängst hatten wir wieder eine Kriminalhauptkommissarin aus der Mordkommission in Frankfurt bei uns zu Gast. Sie deutete bereits an, dass sie den ein oder anderen Fall hätte, den sie auch gerne mit uns besprechen würde.

Gibt es denn auch schon Pläne für eine weitere Podcast-Staffel?

Wir müssten jetzt bei Folge 40 sein. Jetzt produzieren wir erstmal die nächsten Episoden. Danach schauen wir weiter.

Werden Sie auf der Straße oft erkannt und falls ja, sprechen Sie die Menschen auch an?

Das kommt schon vor. Und das merkt man natürlich auch, wenn sich Leute auf der Straße umdrehen und auffällig und intensiv gucken. Das mit dem Ansprechen hält sich jedoch in Grenzen und ist eher angenehm und respektvoll.

Wenn Sie aber doch mal jemand anspricht, welche Frage hören Sie dann am häufigsten?

Es ist tatsächlich so, dass ich schonmal gefragt worden bin: Was hat sich eigentlich in dem Fall 'xy' ergeben? Wie hat sich das weiterentwickelt? Das Interesse, wie es nach der Sendung mit den Fällen weiterging, ist eindeutig vorhanden.

Bald läuft wieder die Spezial-Ausgabe 'Aktenzeichen XY: Vermisst', in der Sie mehrere Vermisstenfälle vorstellen. Warum ist es so wichtig, dass die Leute einschalten?

Das ist oftmals die letzte Chance!

Ich dachte mir anfangs: Mein Gott, für die Angehörigen ist das eine unglaublich bedrückende Situation! Live in einem Fernsehstudio zu sprechen – da müssen wir uns nichts vormachen – ist purer Stress. Ich weiß jedoch aus ihren Reaktionen, dass sie sehr dankbar sind bei uns aufzutreten. Dass wir uns ihres Falles annehmen.

Mir wurde auch immer wieder bestätigt, dass sie sich bei uns sehr gut aufgehoben gefühlt haben. So auch die Eltern von Madeleine McCann aus England, die bei uns im Studio waren.

Der XY-Preis wird bald wieder vergeben. Nach welchen Kriterien werden die Nominierten ausgewählt?

Gemeinsam haben alle Nominierten, dass durch ihren Einsatz ein Verbrechen verhindert werden konnte. Sei es die Entführung eines Kindes, die Vergewaltigung einer Frau. Oder eine Situation, die völlig eskaliert ist.

„Ein ganz wichtiges Kriterium ist immer, dass sich niemand selbst in Gefahr bringt“
Rudi Cerne

Ich persönlich glaube, dass jeder Mensch unterschiedlich gestrickt ist. Ich erinnere mich an einen Fall, bei dem Nominierte ganz couragiert auf einen Mann zugegangen sind, der eine Frau mit einem Messer töten wollte. Sie haben ihm das Messer aus der Hand geschlagen, ihn auf dem Boden fixiert und anschließend die Polizei gerufen. 

Wir wollen die Menschen nicht dazu motivieren sich in Gefahr zu bringen! Aber: Jeder hat heutzutage ein Handy dabei und kann mindestens die 110 anrufen oder eine Öffentlichkeit herstellen.

Sprich: Dafür sorgen, dass es laut wird. Das sagen auch die Experten: Es ist wichtig, dass der vermeintliche Täter weiß, dass jemand die Straftat mitbekommt. Meistens deeskaliert das die Situation.

Wenn Sie die freie Wahl hätten, gäbe es noch eine Sendung/Show, die Sie gerne nochmal moderieren würden?

 Also wenn mich jemand vor drei Jahren gefragt hätte, ob ich einen Podcast moderieren möchte, hätte ich als erstes gefragt: Was ist das?

Dann wurde ich mal als Interviewgast angefragt und habe mich mal näher mit dem Thema auseinandergesetzt und recherchiert. Als ich mir dann einige Werke angehört habe, dachte ich: Das können wir auch, vielleicht sogar noch besser! Und dann haben wir das dem ZDF vorgeschlagen. Podcasts sind ein neues, modernes Medium, vielleicht sogar die Zukunft der Medien. Mal abwarten, was sich da noch alles entwickelt. Deshalb sage ich mal: „Unverhofft kommt oft.“

Aktenzeichen hätte ich mir früher auch nie vorstellen können.

„Als ich damals das Angebot bekam, Aktenzeichen zu moderieren, habe ich sogar erst gedacht es ist ein Scherz. Und jetzt mache ich das über 20 Jahre und bin dem ZDF sehr dankbar.“
Rudi Cerne

Als ehemaliger Profi-Sportler, welche Rolle spielt der Sport heute noch in Ihrem Leben?

Ich war selbst Leistungssportler, war zweiter bei Europameisterschaften, vierter bei den Olympischen Spielen. Zweimal Deutscher Meister. Ich habe ein gutes Gefühl für Leistung und für Sportlerinnen und Sportler.

Ist dies vielleicht genau der Kontrast, den man als Aktenzeichen-Moderator gut gebrauchen kann?

 Das ist ein Kontrast, wie er nicht größer sein könnte und deswegen ist er so spannend und herausfordernd.

Rudi Cerne über seine Zukunft

Ihr Vertrag soll laut Medienberichten noch bis 2026 laufen, hätten Sie denn grundsätzlich Interesse daran, danach noch weiterzumachen?

Das kann ich Ihnen jetzt nicht sagen. Es macht mir Spaß, auch wenn es ein ernstes Thema ist. Es ist eines mit einer außerordentlichen Relevanz und eine Sendung mit großer Bedeutung, die ich seit 21 Jahren moderieren darf. Alles weitere lasse ich auf mich zukommen.

Interview: Eileen Meinke

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