Rettung für Tiere in Not

Gnadenhof Liebenswert: Wo geschundene Tierseelen heilen

Für Familie von Studnitz ist der Gnadenhof L(i)ebenswert eine wahre Herzensangelegenheit - doch diesen Lebenstraum aufrechtzuerhalten, kann auch eine große Belastung sein. Mitinhaberin Dini von Studnitz (32) erzählte uns, was es bedeutet, ein solch ehrenwertes Projekt zu verwirklichen.

Auf dem Gnadenhof L(i)ebenswert finden Tiere in Not ein neues Zuhause.
Dini von Studnitz betreibt mit ihrem Mann den Gnadenhof L(i)ebenswert im Odenwald, wo das Paar mit seinen vier Kindern lebt. Foto: Sonja Gelb Fotografie
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Wenn ein aus dem Labor oder der Massentierhaltung gerettetes, vor der Schlachtung bewahrtes oder auf andere Weise schlecht behandeltes Wesen seinen Weg auf diesen Hof findet, dann ist eines gewiss: Hier erhält es ein liebevolles Zuhause (möglichst) auf Lebenszeit. Seit 2011 nimmt der Gnadenhof von Dini und ihrem Ehemann Axel von Studnitz (39) hilfsbedürftige Kaninchen, Hühner, Schweine, Hunde und weitere Tiere auf, wo sie von ihnen aufgepäppelt und mit allem versorgt werden, was sie brauchen.

Wenn aus Angst irgendwann Vertrauen wird

Dabei sind die Wesen, die von ihnen abgeholt oder hier abgegeben werden, teilweise in wirklich herzzerreißendem Zustand. "Eins unserer ersten Kaninchen, Rocky, wurde uns vor die Tür gestellt - er war extrem abgemagert", erinnert sich Dini von Studnitz. "Er hatte wohl sein ganzes Leben in einer Transportbox verbracht: Als wir ihn rausgelassen haben, sahen wir, dass er am Rücken kein Fell mehr hatte – dort hatte die ganze Zeit der obere Teil der Box gescheuert. Er saß in seinen eigenen Fäkalien. Wir mussten ihm das Fell rasieren und ihn baden. Er war total verängstigt; hatte immer die Ohren angelegt und wusste gar nicht, wie es ist, sich zu bewegen." Das arme Tier wurde dann erst im Haus versorgt, bevor er irgendwann ins Außengelände gesetzt wurde. Eine Extremsituation für das Kaninchen: "Er blieb wochenlang auf einer Stelle sitzen, hat sich dann Zentimeter für Zentimeter über den Boden geschoben. Ich weiß nicht, was das Tier alles erlebt hat", so die 32-Jährige.

Leider bei weitem nicht der einzige Sorgenfall auf dem Gnadenhof L(i)ebenswert. Doch so belastend die Fürsorge für diese Tiere manchmal auch sein mag: Wenn sie irgendwann tatsächlich wieder lebensfroh sind, ist das für Dini von Studnitz eine unsagbare Belohnung. "Zu sehen, wie diese ängstlichen Tiere langsam Vertrauen gewinnen, das ist Wahnsinn. Es ist einfach schön, dass man einer Tierseele doch noch etwas Heilung zukommen lassen kann."

Sehen Sie hier, wie traurig es Hunde macht, einfach ausgesetzt zu werden (Artikel geht unter dem Video weiter):

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Was heute in großem Ausmaß auf dem ehemaligen Bauernhof möglich ist, fand zunächst allerdings noch in deutlich kleinerem Rahmen statt. Als es Dini und Axel von Studnitz vor einigen Jahren in den Odenwald zog, wohnten sie noch in einem kleinen Haus mit großem Garten - und bekamen schnell die ersten tierischen Untermieter. "Es war eigentlich ein Selbstläufer", erinnert sich die Tierfreundin. "Wir hatten dort einen alten Hühnerstall mit kleinem Auslauf und schon bald haben uns die ersten Nachbarn ihre Käfigkaninchen gebracht." Immer wieder hätten sie gehört: "Die Tiere haben es doch viel besser bei euch."

Ein Zuhause für 70 Tiere - und vier Kinder

So wuchs die Zahl der zu versorgenden Geschöpfe immer weiter an und es wurde Zeit, etwas größer zu denken. Dini und Axel von Studnitz entschieden sich schließlich fürs Landleben und kauften den alten Bauernhof, der heute um die 70 Tiere beherbergt. Anfangs führte das Paar den Gnadenhof L(i)ebenswert noch komplett privat, mittlerweile existiert er als eingetragener Verein. Dennoch: Die Arbeit, die dort täglich zu bewältigen ist, müssen die Inhaber allein leisten - wobei Axel von Studnitz in Vollzeit als Lehrer für Religion und Kunst arbeitet. Darüber hinaus sind sie Eltern von vier Kindern (9, 7 und 3 Jahre beziehungsweise 6 Monate), die auch versorgt werden wollen.

Familie von Studnitz vom Gnadenhof L(i)ebenswert.
Axel und Dini von Studnitz mit drei von ihren vier Kindern. Foto: Sonja Gelb Fotografie

Jeden Morgen heißt es deshalb, früh aufzustehen, erstmal den Nachwuchs zu versorgen und diesen dann in die 25 Kilometer entfernte Schule oder den Kindergarten zu fahren. Wieder zu Hause geht es mit den Tieren weiter: Alle Futternäpfe werden ausgespült, es wird gemistet oder neues Stroh ausgelegt und natürlich bekommen alle Tiere noch frisches Wasser und Futter. Was für Dini von Studnitz bedeutet: Während sie ihren jüngsten Sohn im Tragetuch bei sich hat, schnippelt sie Gemüse, räumt die Futterkammer auf, bereitet auch das Essen für ihre Familie vor und holt die Kinder ab. Abends machen sie oder ihr Mann noch mal eine Hofrunde, um alle Tiere in den Stall zu bringen.

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Zu den Aufgaben des Paares gehört es außerdem, zwei bis dreimal die Woche Lebensmittel für ihre tierischen Bewohner zu kaufen. Zwischendurch geht es oft zum Tierarzt oder es stehen Reparaturen und die Grundstückspflege an. Ein ordentliches Pensum für eine einzelne Familie, deren einzige regelmäßige Hilfe die "gute Seele" Karin ist - die Mutter eines ehemaligen Schülers von Axel von Studnitz, die einmal wöchentlich Gemüse vorbeibringt und die Tiere füttert. Gibt es da überhaupt eine Möglichkeit, auch mal eine kleine Auszeit zu nehmen? "Ohne größeren Organisationsaufwand geht das nicht - nicht einmal für eine Nacht", sagt Dini von Studnitz. Es müsse immer langfristig vorher jemand Zuverlässiges gefunden werden, der sich um den Hof kümmern kann.

Hier bekommen Sie einen kleinen Einblick vom Leben auf dem Gnadenhof L(i)ebenswert:

Zu diesem hohen Arbeitsaufwand und der wenigen Freizeit kommt außerdem noch die seelische Belastung, die durch das Versorgen der Tiere auf ihren und den Schultern der Familie lastet. Das Aufpäppeln der Hilfsbedürftigen dauert meist Wochen, häufig schaffen es die zu ihnen gebrachten Tiere trotzdem nicht. "Bei unseren Tieren passiert es ganz oft, dass man erst denkt, das Schlimmste wäre irgendwann überstanden – und dann sterben sie leider doch." Nicht nur für sie, sondern auch für ihren Mann und die Kinder jedes Mal wieder eine schlimme Erfahrung, da die Tiere quasi zur Familie gehören. Umso wichtiger sei es, richtig Abschied zu nehmen: So werden all ihre Tiere (bis auf die Schweine) mit kleinen Grabbeigaben im eigenen Garten beerdigt.

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Von diesen schweren Verlusten und dem Wissen darüber, wie schlecht manche Menschen Tiere behandeln, will sich Dini von Studnitz aber nicht zu sehr beeinflussen lassen: "Ich versuche einfach immer, mich auf die Tiere zu konzentrieren, die zu uns kommen. Es wird erst dann richtig schlimm, wenn ich mir bewusst mache, dass das ja noch nicht mal die Spitze des Eisbergs ist. Unsere Hilfe ist ja nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Wie viele Tiere gibt es da draußen, denen es noch viel schlechter geht? Man kann einfach nicht allen helfen - aber diese Gedanken lasse ich nicht mehr so sehr zu."

Plötzlich wurde die Familie selbst zum Sorgenkind

Trotzdem kam Dini von Studnitz im vergangenen Jahr an einen Punkt, an dem sie nicht mehr so weitermachen konnte wie zuvor. Die körperliche und seelische Belastung hatte ihre Spuren hinterlassen und die vierfache Mutter sah sich nicht mehr dazu in der Lage, auch zukünftig alle Tiere angemessen zu versorgen. "Ich habe monatelang mit mir gerungen", sagt sie über ihre Entscheidung, von den damals noch rund 100 Tieren auf dem Hof einige zu vermitteln. "Ich wollte das erst nicht zulassen, habe nächtelang wach gelegen und so ein schlechtes Gewissen gehabt." Doch auch ihre Freunde hätten ihr geraten, die Notbremse zu ziehen. "Ich dachte mir: Wenn es immer so weitergeht und ich in eine Abwärtsspirale gerate, dann haben unsere Tiere ja auch nichts davon."

Schweren Herzens suchte die Familie deshalb ein neues Zuhause für einige ihrer Untermieter. Gleichzeitig mussten viele neue Sorgenkinder abgewiesen werden. Doch mittlerweile hat sich die Situation wieder etwas entspannt, der Gnadenhof befindet sich auch nicht mehr in einer Verkleinerungsphase. Im Gegenteil: Es sind bereits neue Schweinchen hinzugekommen. "Aber ich werde in Zukunft einfach mehr in mich hineinhören und mehr darauf achten, was wir als Familie verkraften können", verspricht Dini von Studnitz. Darüber hinaus hofft sie, mehr Paten für die Tiere zu finden und künftig vielleicht über ein festes Spendenkontingent zu verfügen, mit dem sie planen - und eine Hilfskraft einstellen könnten. "Das wäre schon eine riesengroße Erleichterung für uns."

Wenn Sie noch mehr über Familie von Studnitz und ihren Gnadenhof erfahren möchten, besuchen Sie ihren Online-Auftritt unter www.gnadenhof-liebenswert.de oder schauen Sie sich ihr Facebook-Profil an.