Das Geiseldrama von Gladbeck: 30 Jahre danach
Das Geiseldrama von Gladbeck ist 30 Jahre her. Jetzt veröffentlicht die ARD einen neuen Spielfilm über die Tragödie und zeigt in einer Doku, wie es Opfern und Angehörigen heute geht.
Ein Bankraub wird zu einem Geiseldrama und gleichzeitig zu einem Medienspektakel. Im August 1988 überfallen zwei Männer eine Bank im nordrhein-westfälischen Gladbeck. Die beiden nehmen Geiseln und flüchten 54 Stunden quer durch Deutschland, in die Niederlande und zurück. Medienmacher überschreiten jegliche Grenzen, führen Interviews mit Geiselnehmern und auch die Arbeit der Polizei wird später kritisiert. Das Verbrechen endet mit drei Toten: Zwei Geiseln sterben. Ein Polizist kommt beim Einsatz ums Leben.
Was damals passierte
Dieter Degowski und Hans-Jürgen Rösner überfallen am 16. August 1988 eine Filiale der Deutschen Bank in Gladbeck. Nachdem eine Flucht scheitert, nehmen die beiden zwei Angestellte als Geiseln. Sie bekommen einen Fluchtwagen, noch mehr Geld, unternehmen eine Irrfahrt durch Gladbeck, bei der sie Rösners Freundin Marion Löblich abholen.
Mit einem Fluchtwagen der Polizei geht es für das Trio mit ihren Geiseln nach Bremen. Dort kapern sie einen Bus samt 32 Fahrgästen. Immer dabei: Pressevertreter, die Interviews mit Geiselnehmern und Geiseln führen und sich selbst in unmittelbare Lebensgefahr begeben. Einige Geiseln werden freigelassen. Nachdem Marion Löblich von der Polizei abgefangen und festgenommen wird, erschießt Degowski den 14-jährigen Italiener Emanuele De Giorgi.
Die Geiselnehmer flüchten mit dem Bus weiter in die Niederlande. Bei einem Unfall im Rahmen der Verfolgung stirbt ein niederländischer Polizist. Noch in den Niederlanden wählen Degowski und Rösner die beiden Frauen Ines Voitle und Silke Bischoff aus fahren mit ihnen zurück nach Deutschland. Hier erreicht das Medienspektakel seinen Höhepunkt. Journalisten führen Interviews mit Geiselnehmern und Geiseln, während Silke Bischoff und Ines Voitle von den Geiselnehmern Pistolen an die Schläfen gehalten bekommen – die Bilder gehen um die Welt. Wenig später greift das SEK auf der A3 ein. Beim Schusswechsel stirbt die 18-jährige Silke Bischoff durch eine Kugel aus Rösners Waffe.
So geht es den Opfern heute
Die Geiselnahme forderte mehr als drei Opfer. Die italienische Familie aus Bremen zieht zurück nach Italien. Zu stark sind die Erinnerungen an Emanuele in Bremen. Damals saß auch seine neunjährige Schwester im Bus. Dreißig Jahre später ist Tatiana verheiratet und lebt ebenfalls in Italien. "Bis heute wache ich nachts von meinen Albträumen auf, weil meine Hände und Beine so stark zittern", zitiert die Radio Bremen die mittlerweile vierfache Mutter in einer neuen Dokumenation.
Ines Voitle überlebte schwer verletzt. Gegenüber der Bild sagte sie 2008: "Ich habe gelernt, mit den Erinnerungen zu leben. Ich hatte jahrelang Depressionen." Das Leiden der Überlebenden und Angehörigen wird nicht aufhören. Karin R., die Mutter der erschossenen Silke Bischoff hat den neuen Zweiteiler der ARD mit dem Titel 'Gladbeck' schon gesehen. "Der Film hat mich nicht heruntergedrückt oder deprimiert", erzählte sie dem Stern. Das Handeln der Polizei damals sieht sie kritisch: "Silke hätte überleben können."
Neuer Film in der ARD
Die ARD zeigt den zweiteiligen Spielfilm über die Geschehnisse im August 1988 nur wenige Wochen nach der Freilassung Degwoskis aus dem Gefängnis. Er steht unter Bewährung und hat eine neue Identität bekommen. Rösner sitzt weiterhin in Haft.
Eines der spektakulärsten Verbrechen der bundesdeutschen Nachkriegszeit wird dreißig Jahre danach wieder erzählt. Produzentin Regina Ziegler spricht von einer Erinnerungsarbeit, bei der die Geschichte erzählt teilweise mit fiktionalen Elementen erzählt wird. Die heutigen Hauptdarsteller waren damals noch Kinder. "Ich saß in Ost-Berlin vor dem Fernseher und dachte: Die haben echt Probleme im Westen! Pistole, Geisel, Mikrofon. Und die Interviewfrage: 'Wie geht es Ihnen?' Das hat mich äußerst irritiert", erinnert sich Alexander Scheer in der Welt am Sonntag. "Dieser Plauderton, dieses Aufrechterhalten von Normalität. Wir haben hier alles im Griff. Niemand hatte da irgendwas im Griff."
Der 41-Jährige spielt im Zweiteiler den Geiselnehmer Dieter Degowksi und war damals 11 Jahre alt. Sascha Alexander Geršak ist nur ein Jahr älter. Er ist im Film als Hans-Jürgen Rösner zu sehen. Die Dreharbeiten wurden auch für ihn zur Belastungsprobe "Wir haben 30 Tage lang zwölf, dreizehn Stunden im Auto gesessen. Man ist wie in einer Zeitschleife gefangen", erzählte er der Welt am Sonntag. "Ich habe drei Kinder zu Hause und eine Frau. Die waren den Sommer über allein. Ich habe in der Zeit keine Nachrichten geguckt."
Der Zweiteiler 'Gladbeck' läuft am Mittwoch, 7. März und Donnerstag, 8. März 2018 um 20:15 Uhr in der ARD. Am Donnerstag folgt im Anschluss (21:45 Uhr) die Dokumentation 'Die Geiselnahme von Gladbeck: Danach war alles anders' über die Geschehnisse damals und den Überlebenden heute.