Across the Stars

Anne-Sophie Mutter: Wofür sie ihren Kindern besonders dankbar ist

Stargeigerin Anne-Sophie Mutter hat im Liebenswert-Interview über ihr Herzensprojekt, ihr Familienleben als Stargeigerin und ihre Liebe zu Dackeln gesprochen.

Anne-Sophie Mutter im Interview mit Liebenswert.
Die Deutsche Grammophon präsentiert mit 'Across the Stars', von Stargeigerin Anne-Sophie Mutter und Filmkomponist John Williams ein einzigartiges Projekt. Foto: private archive
Auf Pinterest merken

'Across the Stars' ist nicht nur ein Herzensprojekt für Stargeigerin Anne-Sophie Mutter (56) und Filmkomponist John Williams (87), sondern auch ein Markstein ihrer Laufbahnen. In ihrem gemeinsamen Album präsentieren die beiden Künstler eine große Auswahl an berühmten Filmtiteln aus 'Star Wars', 'Harry Potter' oder 'Schindlers Liste', um nur einige zu nennen, die John Williams für Anne-Sophie Mutter für die Geige übersetzt hat. Diese einzigartigen Kompositionen wurden von der Weltklasse-Geigerin am 14. September in München auf dem Königsplatz aufgeführt.

Vorab hat Anne-Sophie Mutter im Liebenswert-Interview verraten, wie es zu dieser großartigen Zusammenarbeit kam, wofür sie ihren Kindern besonders dankbar ist und woher ihre Leidenschaft für Dackel kommt.

Interview mit Stargeigerin Anne-Sophie Mutter

Liebenswert: Frau Mutter, am 10. Mai haben Sie die erste Single 'Hedwig’s Theme' aus Ihrem neuen Projekt 'Across the Stars', für welches Sie zusammen mit dem berühmten Komponisten John Williams gearbeitet haben, veröffentlicht. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit mit Herrn Williams?

Anne-Sophie Mutter: Wir haben uns vor sechs Jahren in Tanglewood beim Sommercamp des Boston Symphony Orchestra kennengelernt. John Williams hat dort sein alljährliches Filmprogramm und die Uraufführung eines klassischen Werkes dirigiert. Als jahrzehntelanger Bewunderer habe ich nach dem Konzert die Gelegenheit beim Schopf gegriffen und ihn gefragt, ob er mir ein Violinkonzert schreiben könne. Er lehnte erst sehr charmant ab, weil er sehr ausgelastet sei, schrieb mir dann aber ein paar Jahre später das Violinwerk 'Markings'. Im Zuge unserer Korrespondenz habe ich ihm gestanden, wie sehr ich seine Filmmusik neben den klassischen Werken bewundere. Ich fragte ihn, ob er mir nicht ein oder zwei Themen umschreiben könne und dann schickte er mir eine Liste mit Titeln, die er sich vorstellen konnte. Er hat daraufhin alle Themen selbst umgearbeitet. Das Ergebnis ist natürlich nicht nur musikalisch absolut stimmig, sondern auch für mich eine riesen Ehre.
Am 07. Juli 2019 habe ich in Tanglewood gespielt und ganz überraschend hat John Williams die zweite Hälfte dirigiert. Die Zuhörer waren natürlich aus dem Häuschen, denn die Musik ist einfach von epischer Größe. Es war eine der Sternstunden meines Lebens.

Was macht die Kompositionen so besonders?

Die Musik auf jeden Fall generationsübergreifend ist! Nicht nur meine Generation geht da ab, auch die meiner Kinder. Es ist Musik mit unglaublich viel Leidenschaft, die aber auch Humor verkörpert, Drama, Trauer und romantisches Gefühl. Meiner Meinung nach all das, was man sich von einem musikalischen Abend erhofft. Unser Ziel ist es, dass sich jeder der zuhört – egal ob zehn oder 80 – in der Musik und in den ganz unterschiedlichen Emotionen verstanden und berührt fühlt. Wenn ich das Stück aus 'Harry Potter' spiele, welches ein richtiges Geigenstück geworden ist, erinnere ich mich sofort daran, wie ich mit meinen Kindern in den Filmen gewesen bin. Filmmusik ist einfach ein so integraler und wichtiger Teil des Lebens. Wir alle verbinden damit tolle Momente und Erinnerungen mit Familie und Freunden. Es ist schon ein besonderes Ereignis, wenn man Musik spielen darf, die schon so viele Menschen berührt hat und die so viele Menschen wirklich direkt anspricht und fasziniert.

Hören Sie hier die erste Single 'Hedwig's Theme' aus Harry Potter: (Das Interview geht unter dem Video weiter)

Der 'Bild am Sonntag' haben Sie erzählt, dass sie 2020/21 ein Pausenjahr einlegen wollen. Was haben Sie sich für diese Zeit vorgenommen?

Im Dezember 2020 beginnt für mich ein mindestens neunmonatiges Sabbatjahr. Ich habe mir fest vorgenommen, mir nichts vorzunehmen, aber ich kenne mich (lacht). Konzertieren werde ich in dieser Zeit aber definitiv nicht. Vielleicht schaffe ich es mir den Wunsch zu erfüllen, endlich mal wieder vier Wochen am Stück wandern zu gehen oder die Galapagosinseln zu bereisen. Ich werde die Zeit auf jeden Fall für Dinge nutzen, für die ich sonst zu wenig Zeit und Energie habe. Ich möchte ein bisschen Abstand gewinnen, um mein Leben neu zu ordnen. Außerdem werde ich die Zeit nutzen, um mich auf die künftigen Uraufführungen vorzubereiten, denn oft fehlt mir die Zeit, um in Ruhe zu studieren.

Wie verbringen Sie Tage, an denen Sie nicht geigen?

Das ist ganz unterschiedlich. Heute werde ich sehr wahrscheinlich nicht geigen, denn ich komme gerade mit meinem Dackel vom Tierarzt. Leider ist einer meiner Dackel schwer krank und wir müssen alle vierzehn Tage in die Tierklinik. Tagsüber habe ich Interviews und abends treffe ich mich mit Freunden, also heute wird nicht gegeigt.

Anne-Sophie Mutter: "Meine Dackel sind meine Fitness-Coaches"

Das heißt, Ihre Dackel begleiten Sie auch regelmäßig zu Konzerten?

Sie begleiten mich sehr oft und jetzt natürlich verstärkt, damit 'Clyde' psychisch stabil bleibt. Ich reise sehr gerne mit meinen Hunden und sie sind auch sehr reiseerfahren. Da ich viel mit dem Auto und Zug unterwegs bin, kann ich sie problemlos mitnehmen. Außerdem sind sie meine Fitness-Coaches und einfach immer gut drauf. Im Gegensatz zu mir, denn ich bin morgens manchmal grantig. Hunde kennen so etwas gar nicht. Sie stehen auf und freuen sich.

Welches Erlebnis fällt Ihnen sofort ein, wenn Sie an Ihre Hunde denken?

Dass sie einfach immer gut drauf sind. Die Beziehung zwischen Mensch und Hund ist schon eine ganz besondere! Ich hatte mein ganzes Leben lang Hunde. Da fällt mir also nicht nur eine Sache ein. Wenn ich übe kommt insbesondere einer meiner Hunde immer dazu und legt sich aufs Sofa und macht ein glückliches Gesicht. Dieses glückliche Dackelgesicht beim Klang von Musik finde ich einfach nur rührend. Sehr wahrscheinlich ist sie einfach nur froh, dass sie mich fiedeln hört, weil sie dann weiß, dass ich nicht heimlich verschwinden kann. Denn solange ich Geige spiele bin ich da und solange ich da bin hängt der Dackelhimmel gerade.

Woher kommt Ihre Vorliebe für Dackel?

Ich liebe Dackel, weil sie sehr eigenwillige, witzige, kleine Kämpfer sind. Außerdem jagen meine beiden wie die Wahnsinnigen – das ist natürlich nicht spaßig, wenn man hinterherrennen muss. Aber diese Unabhängigkeit und diese freche Art finde ich sehr charmant.

Beschreiben Sie in drei Worten, was das Geigen in Ihnen auslöst.

Das geht natürlich gar nicht (lacht herzlich).
Wenn es gut läuft ist es natürlich der Himmel auf Erden und wenn nicht, dann versuche ich das nächste Mal dem Himmel ein bisschen näher zu kommen. Es ist auf jeden Fall ein ganz besonderer Zustand. Ich glaube Athleten kennen dieses Gefühl. Man wird eins mit dem Raum und den Menschen in dem Raum. Es ist ein wahnsinnig symbiotisches Erlebnis.

Das könnte Sie auch interessieren:

Anne-Sophie Mutter: "Ich glaube jedes Leben hat seine schwierigen Momente"

Sie wirken immer sehr herzlich, humorvoll und lebensfroh, dabei hatten Sie es als alleinerziehende Mutter, die ihren Mann schon früh verloren hat und dazu noch eine Weltklasse-Geigerin ist, sicher nicht immer leicht. Wie haben Sie sich diese Lebensfreude bewahrt?

Ich lebe nicht im Jemen und ich bin in keinem Kriegsgebiet aufgewachsen. Ich durfte einen Beruf ergreifen, der mich fasziniert und den ich mir seit meinem fünften Lebensjahr gewünscht habe.
Natürlich ist es schrecklich, wenn man mit 31 Witwe wird und ein einjähriges und ein dreijähriges Kind alleine großziehen muss. Aber es gibt viel schlimmere Lebensumstände. Ich glaube jedes Leben hat seine schwierigen Momente und trotzdem gibt es immer noch Dinge für die man dankbar sein sollte. Ich habe zwei wunderbare, gesunde Kinder, großartige Freunde und die Chance, mit meiner Musik etwas wirklich Sinnvolles zu tun. Zum Beispiel, wenn ich ein Benefizkonzert geben darf und dadurch manche Leben für einen Moment etwas positiver gestalten kann. Das ist Grund genug und außerdem liebe ich das Leben. Wir haben nur eines, also sollten wir das Beste daraus machen. Für mich gibt es nur eine Richtung und die ist vorwärts.

Wofür sind Sie Ihren Kindern dankbar in Ihrem Leben?

Ich glaube für ihre bedingungslose Liebe und auch für ihre kritischen Kommentare. Wenn man Kinder hat, hat man einen etwas klareren Blick auf sich selbst und auf die Dinge die man ganz inkonsequent betreibt. Es ist die spannendste Aufgabe im Leben, vor allem, weil man darauf überhaupt nicht vorbereitet ist. Es ist einfach faszinierend. Ich habe mich wirklich bemüht, Dinge, die mich in meiner eigenen Kindheit gestört haben an meinen Kindern nicht zu wiederholen und das ist mir vielleicht sogar gelungen. Aber dafür habe ich anderes getan, teilweise wirklich unentschuldbar und darüber bin ich wirklich entsetzt. Elternsein ist nicht immer leicht, aber man sollte immer kritikfähig bleiben. Das ist äußerst wichtig und ich hoffe, das ist mir bisher gelungen oder gelingt mir in Zukunft.

Anne-Sophie Mutter zusammen mit John Williams und Steven Spielberg
Die Deutsche Grammophon präsentiert mit 'Across the Stars' ein einzigartiges Projekt. Auf dem Foto zu sehen ist Stargeigerin Anne-Sophie Mutter mit Filmkomponist John Williams (links) und Filmregisseur Steven Spielberg (rechts). Foto: private archive

Die Kinder sind mittlerweile aus dem Haus, ein Umstand, den unsere Leserin nur zu gut kennt. Wie hat sich Ihr Leben dadurch verändert? Wie hat sich diese Veränderung für Sie angefühlt?

Als meine Tochter auszog war das wirklich sehr schwer für mich. Das wunderbare in meinem Leben ist allerdings, dass ich meinen Beruf habe. Wir hatten schon immer ein etwas wilderes Familienleben. Als sie klein waren sind meine Kinder ziemlich viel mit mir gereist oder ich bin durch meinen Beruf viel unterwegs gewesen. Der Auszug meiner Kinder war also kein klassischer Auszug, bei dem einer zurückbleibt. Wir waren es von Anfang an gewohnt, dass wir viel über Telefon Kontakt halten und dass die Nähe weiterhin besteht, auch wenn man physisch voneinander getrennt ist. Der Auszug war natürlich trotzdem nicht schön, aber wir haben das vernünftig gelöst, auch wenn ich es sehr traurig fand, dass dieses Kapitel zu Ende ist. Ich habe mich schon versucht zusammenzureißen, aber ich weiß nicht, wie meine Tochter das empfunden hat. Möglicherweise war ich schon eine Klette. Und danach ist dann ja noch mein Sohn ausgezogen. Mittlerweile haben wir aber eine sehr gute Balance gefunden.

Sie sind großer Tennis-Fan. Hatten Sie denn dieses Jahr überhaupt Zeit Roger Federer zu verfolgen?

Ja, angeguckt habe ich mir seine Spiele und ich bin auch noch sehr traumatisiert von Sonntag. Ich saß über fünf Stunden – solange wie das epische Match eben gedauert hat – und für einen Federer-Fan war das einfach nur furchtbar anzuschauen. Roger Federer hatte den Sieg ja eigentlich schon auf dem Schläger und konnte das Spiel dann leider trotzdem nicht für sich entscheiden, dabei hat er in jeder Beziehung fabelhaft gespielt. Dieses Jahr werde ich mir noch ein Spiel in Genf von ihm ansehen und darauf freue ich mich schon riesig. Ich bin ein absoluter Federer-Fan und mein Sohn Richard auch.

Was begeistert Sie am Tennis so sehr?

Ich spiele selber kein Tennis, aber mein Sohn. Mich begeistert, dass es ein Einzelkampfsport ist und ich sehe große Parallelen zu dem, was ein Musiker auf der Bühne leistet. Man muss auf den Punkt abrufen, wofür man trainiert hat. Bei Roger Federer hat man gesehen, dass das gar nicht so leicht ist. Ich bewundere ihn so, weil ich bei ihm den Eindruck habe, dass er nicht spielt um den anderen zu besiegen, sondern er spielt, weil er eine immense Freude am Tennis hat und weil er das beste Spiel, das er zaubern kann, zeigen möchte. Ich bin sehr froh, dass er nicht geigt, denn bei seinem tollen rechten Arm hätte er eine fabelhafte Bogenführung. Da wäre ich weg vom Fenster (lacht).

Hören Sie auch die Single 'Yoda's Theme' aus Star Wars: (Das Interview geht unter dem Video weiter)

Anne-Sophie Mutter: "Wenn man ein Lächeln erhält ist das einfach großartig"

Haben Sie ein anderes Hobby als Ausgleich zur Musik?

Ich gehe wahnsinnig gerne laufen oder mache Wanderungen mit bis zu 40 Kilometern pro Tag. Ansonsten gehe ich generell ein bis zwei Stunden pro Tag an die frische Luft oder hin- und wieder auch ins Fitnessstudio. Bewegung in der Natur ist etwas, das ich immer geliebt habe. In Bayern kann man sich ganz wunderbare Wanderrouten zurechtlegen, aber ich wandere auch sehr gerne in den Tiroler Bergen.

Was macht das Leben für Sie liebenswert?

Da fallen mir tausend Sachen ein! Zum Beispiel, wenn die Sonne scheint, ich einen Schmetterling oder eine Biene sehe. Die Natur ist für mich wahnsinnig wichtig, aber letzten Endes ist es die menschliche Interaktion. Wenn man jemandem ins Gesicht schaut und ein Lächeln erhält ist das einfach großartig – meistens lache ich schon mal voraus und es wird zurück gelacht. Das Miteinander macht das Leben für mich besonders liebenswert. Wenn man einfach gut miteinander umgeht.

Das Album 'Across the Stars' von Anne-Sophie Mutter in Zusammenarbeit mit John Williams ist seit dem 30. August 2019 erhältlich. Am 3. Oktober 2019 zeigt das ZDF um 23:40 Uhr eine Aufzeichnung von "Anne-Sophie Mutter spielt Filmmusik" vom 14. September 2019 vom Septemeber vom Münchner Königsplatz.