Tag des Notrufs am 11.2: So setzen Sie den Notruf richtig ab
Im Interview hat Dr. med. Carola Holzner mit uns darüber gesprochen, wie man sich im Notfall richtig verhält.

Europäischer Tag des Notrufs am 11. Februar
Am 11. Februar ist Europäischer Tag des Notrufs, um die europaweit gültige Notrufnummer 112 bekannter zu machen. Anlässlich dieses Tages hat Liebenswert mit Dr. med. Carola Holzner, Fachärztin für Anästhesie, Intensivmedizin und Notfallmedizin sowie leitende Oberärztin der zentralen Notaufnahme Nord am Universitätsklinikum Essen gesprochen. Die erfahrene Notärztin hat uns im Interview verraten, wie man sich in einer Notsituation richtig verhält und wie man beispielsweise einen Notruf (112) richtig absetzt.
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Liebenswert: Am 11. Februar (11.2) ist Tag des Notrufs. Wann bzw. in welcher Situation sollte ich die 112 anrufen?
Dr. med. Carola Holzner: Generell sollte immer dann der Rettungsdienst gerufen werden, wenn die Situation akut lebensbedrohlich ist. Das heißt konkret: Wenn jemand bewusstlos ist, sein Bewusstsein erheblich eingetrübt ist oder ein Verdacht auf einen Schlaganfall oder Herzinfarkt besteht, sollte man umgehend die 112 anrufen. Weitere Symptome sind schwere Atemnot, starke Brustschmerzen sowie generell akute starke Schmerzen und nicht stillbare Blutungen. Auch bei Unfällen mit Verdacht auf starke Verletzungen, bei Vergiftungen, starken Verbrennungen und Suizidversuchen sowie Krampfanfällen, plötzlicher Geburt oder Komplikationen in der Schwangerschaft gilt es, den Rettungsdienst zu rufen.
Nur wenn es um Leben und Tod geht, ist es ein Fall für den Rettungsdienst. Ansonsten sollte man sich an den Hausarzt oder ärztlichen Notdienst wenden, also zum Beispiel bei Fieber, akuten Bauch- oder Rückenschmerzen, starken Hals- oder Ohrenschmerzen sowie auch bei kleineren Schnittverletzungen und anhaltendem Brechdurchfall.
Wie verhalte ich mich richtig, wenn ich zum Beispiel eine leblose Person vorfinde oder einen Unfall beobachte?
Auf jeden Fall sollte man immer Hilfe rufen und wenn erforderlich, erste Hilfe leisten. Dabei kann man sich Folgendes als Regel merken: prüfen, rufen, drücken. Das heißt, es gilt zunächst zu prüfen, ob die betroffene Person, wenn sie bewusstlos ist, noch atmet. Wer geübt ist und es sich zutraut, kann auch den Puls tasten. Dann sollte sofort ein Notruf unter der 112 abgesetzt werden. Erst dann, wenn es keine Lebenszeichen gibt, sollte man mit der Reanimation beginnen – also mit dem Drücken auf den Brustkorb. Mit ausgestreckten Armen etwa in der Mitte auf Höhe der Brustwarzen sollte der Brustkorb kräftig fünf bis sechs Zentimeter eingedrückt werden.
Diese Erste-Hilfe-Maßnahmen sollten Sie kennen: (Das Interview geht unter dem Video weiter)
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"Bei einem Notruf sollten Sie immer auf Rückfragen warten"
Wie setze ich einen korrekten Notruf ab? Was gibt es dabei für mich zu beachten und wie kann ich mir das in einer Notfallsituation gut merken?
Es gibt drei zentrale Fragen, die man beantworten sollte: Wer? Wo? Was? Das heißt, zunächst sollten Sie sagen, wer Sie sind und wo Sie sich befinden, also die konkrete Adresse, damit der Leitstellendisponent schon weiß, wohin er Hilfe schicken muss; dann sollten Sie Auskunft darüber geben, was passiert ist. Zusätzlich ist das 'Wie'? noch wichtig, das heißt, man sollte beim Notruf angeben, wie viele Verletzte es zum Beispiel gibt und in welchem Zustand sie sich befinden, also ob sie zum Beispiel bewusstlos sind. Ganz wichtig ist außerdem, dass man danach nicht gleich auflegt, damit die Leitstelle die Möglichkeit hat, Rückfragen zu stellen. Bleiben Sie ruhig.
Welche lebensrettenden Sofortmaßnahmen kann und sollte ich in einem Notfall anwenden?
Wenn die betroffene Person noch atmet, dann sollte sie in die stabile Seitenlage gebracht werden, damit man einer Verlegung der Atemwege vorbeugt. Ist bei einer bewusstlosen Person keine Atmung mehr erkennbar, ist die Reanimation zu starten. Und das unbedingt auch im Zweifel, also wenn man sich nicht ganz sicher ist, ob die Person noch atmet oder nicht. Denn man kann nichts falsch machen. Selbst wenn dabei eine Rippe bricht, ist das überhaupt nicht schlimm, angesichts der Tatsache, dass man dadurch ein Leben retten kann. Einfach mit 100 bis 120 'beats per Minute' den Brustkorb eindrücken. Das entspricht ungefähr dem Rhythmus des Songs 'Staying alive'. Machen Sie sich nicht zu viele Gedanken, was richtig oder falsch ist, und was Sie falsch machen könnten. In Situationen wie dieser gibt es kein falsch! Dass Sie was tun, ist wichtig
Gibt es Anzeichen, an denen ich auch als Laie einen Herzinfarkt oder Schlaganfall erkennen kann, um zum Beispiel meinem Partner schnell zu helfen?
Ein Herzinfarkt geht klassischerweise mit starken Brustschmerzen einher, die meist in den linken Arm ausstrahlen können, sowie eventuell mit Atemnot. Die Symptome sind aber immer unterschiedlich. Gerade bei Frauen können die Symptome stark variieren, das heißt, diese beklagen oft Unwohlsein oder Übelkeit und haben das Gefühl, 'dass etwas nicht stimmt'.
Typische Symptome eines Schlaganfalls können plötzliche, stärkste Kopfschmerzen, Sprachstörungen, teilweise oder halbseitige Lähmung, Empfindungsstörungen, Gehschwierigkeiten, Sehstörungen oder stärkster Schwindel sein. Mit dem FAST-Test lässt sich ein Schlaganfall erkennen. FAST steht als Abkürzung für Face, Arms, Speech und Time – also Gesicht, Arme, Sprache und Zeit. Das heißt, man sollte die Person bitten zu lächeln. Hängt dabei ein Mundwinkel nach unten, ist das ein Hinweis auf eine halbseitige Lähmung. Kann die Person einen einfachen Satz nicht mehr nachsprechen oder klingt dabei "verwaschen", ist das an ein weiteres Anzeichen für einen möglichen Schlaganfall. Dann sollten sie keine weitere Zeit verlieren und den Notruf alarmieren.
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"Haben Sie keine Angst davor, etwas falsch zu machen"
Viele ältere Menschen leben alleine. Es soll nun die Möglichkeit geben, alle Patienten-Informationen über einen Notfall-Ausweis zu speichern und in einem Notfall an das Krankenhaus zu übermitteln, wenn der Patient ihn bei sich trägt. Wie richte ich mir oder meinen Angehörigen so einen Ausweis ein?
Ich würde es sehr begrüßen, wenn es einen digitalen Notfall-Ausweis gäbe. Hier ist noch der Gesetzgeber gefragt. Solange es diesen nicht gibt, kann man sich gut einfach mit einem Umschlag im Portemonnaie behelfen, der alle Informationen zu Vorerkrankungen und Medikamenten, die man regelmäßig einnimmt, enthält.
Welche abschließende Empfehlung haben Sie oder welchen Appell möchten Sie unserer Leserin zum Tag des Notrufs mit auf den Weg geben?
Tun Sie etwas! Gehen Sie nicht vorbei, dort wo Hilfe benötigt wird. Und haben Sie keine Angst davor, etwas falsch zu machen. Bei Unsicherheit einfach die Leitstelle anrufen, denn sie kann aus der Ferne Hilfestellung geben.
Viele fürchten sich zum Beispiel davor, jemanden zu reanimieren. Wenn jedoch Atmung und Kreislauf ausgesetzt haben – was soll dann noch schlimmer werden? Der Patient ist in diesem Fall schon tot. Sie können sein Leben retten und ihn wiederbeleben! Dabei ist die Zeit zudem relevant. Mit jeder Minute, die ein Mensch bei Kammerflimmern nicht reanimiert wird, sinkt seine Überlebenschance um zehn Prozent! Das heißt, wenn Sie acht Minuten dort liegen, ohne dass jemand etwas tut, haben Sie eine statistische Überlebenswahrscheinlichkeit von nur noch 20 Prozent. Was würden Sie sich wünschen, wenn Sie derjenige wären, der Hilfe benötigt?
(Essen, 30. Januar 2020)
Unsere Expertin Dr. med. Carola Holzner
Dr. Carola Holzner ist Fachärztin für Anästhesie, Intensivmedizin und Notfallmedizin sowie leitende Oberärztin der zentralen Notaufnahme Nord am Universitätsklinikum Essen. Die zweifache Mutter ist Notärztin aus Leidenschaft. Seit kurzem gibt sie auf ihren eigenen Social Media-Kanälen (Instagram, Facebook und YouTube) regelmäßig Einblick in ihren Berufsalltag und betreibt Aufklärung mit ihrem 'Diagnosen-Dienstag', indem sie jede Woche eine medizinische Diagnose leicht verständlich erklärt. Mit ihrer Antwort auf das YouTube-Video von Notfallsanitäter Felix Haehne, der die Arbeitsbedingungen seiner Zunft anprangert, hat sie für jede Menge Aufmerksamkeit gesorgt.