Hardy Krüger jr.: "Ich habe mein Leben komplett ändern müssen"
Schauspieler Hardy Krüger jr. hat in einer Sendung mit Horst Lichter Einblicke in seine frühere Alkoholsucht gegeben. Das Neue Blatt hat ihn getroffen und über die schwere Zeit gesprochen.

Das Neue Blatt: So ein Bekenntnis kann auch Nachteile bringen. Haben Sie es je bereut, sich geoutet zu haben?
Hardy Krüger jr.: Nein. Ehrlichkeit ist sehr wichtig und das bin ich meinem Publikum auch schuldig. Ich stehe dazu. Ich denke anhand der Reaktionen, die wir jetzt bekommen haben, war es der richtige Schritt. Mir schreiben sehr viele Leute, die sich mir anvertrauen: Da sind Lehrer, Ärzte und Professoren dabei, die sich freuen, dass es endlich mal jemand öffentlich macht. Für sie bin ich sehr mutig und ein gutes Beispiel, dem sie auch folgen wollen. Das freut mich unheimlich, weil es eben zeigt, dass wir alle nur Menschen sind.
Oft wird erwartet, dass man stark ist und funktioniert – selbst nach einem Schicksalsschlag. Spürten Sie damals so einen Druck auch?
Das Schlimme ist, dass keiner eine Schwäche zugeben möchte. Schwächen sind völlig normal. Kein Mensch kann immer nur stark sein. Aber selbst in Familien, in Beziehungen gibt es oft keinen Halt. Das sind manchmal ganz schwierige Situationen für alle Beteiligten. Da muss man einen Weckruf starten und die Leute dafür besinnen, dass man Probleme öffentlich macht und diskutiert, damit man darüber reden kann. Dann kann man auch sagen, wie es einem wirklich geht, wenn der andere das schon nicht selber merkt, weil er zu sehr in seinem eigenen alltäglichen Wahnsinn gefangen ist.
Mehr zu Hardy Krüger jr.: Sein Neuanfang mit Alice in Berlin
Hat man genügend auf Sie genügend geachtet?
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Menschen bei Leuten, die sowieso schon am Boden liegen, dann lieber noch mal draufhauen statt ihnen einfach die Hand zu geben, um ihnen auf die Füße zu helfen. Das ist etwas, was mich wirklich schockiert hat.
Man hat Sie fallengelassen?
Ja, ich habe das am eigenen Leibe erfahren: Dass Leute, von denen du gedachst hast, sie wären deine Freunde, plötzlich ihr wahres Gesicht gezeigt haben. Nach dem Motto: Wenn er sowieso schon angezählt am Boden liegt, ist er ein leichtes Opfer – dann nehmen wir ihn doch so richtig auseinander. Das ist so eine Sache, bei der ich sage: Das kann es nicht sein!
Sie bezeichneten sich als Pegeltrinker, tranken, um weitermachen zu können, die Trauer um Ihren toten Sohn zu vergessen. Wie reagierte Ihr Umfeld?
Ja. Viele Leute sagten: Ja, dann geh halt einfach mal in eine Betty-Ford-Klinik …
"Irgendwann kommt der Punkt, an dem es nicht mehr geht"
Haben Sie das gemacht? Einen richtigen Entzug?
Oh ja ! Aber in einer Entzugsanstalt, nicht in der Betty-Ford - Klinik. Das ist zwar ganz nett, dass es so etwas gibt, aber ich glaube, wenn man das wirklich in den Griff kriegen will, muss man ganz andere Wege gehen. Da kommt dann nur eine Entzugsklinik in Frage. Viele Leute haben da natürlich große Angst vor. Lieber so weitermachen, das merkt ja sowieso keiner – und das geht dann schon irgendwie. Aber irgendwann kommt eben der Punkt, an dem es nicht mehr geht. Und dann wird es wahnsinnig schwierig.
Man muss sich eingestehen, ein Problem zu haben.
Ja, aber das ist ja mit jeder Sucht so: Wenn ich das im Kopf nicht will, dann hat es auch keinen Sinn. Auch, wenn ich aufhören will zu rauchen, übermäßig zu essen oder spielsüchtig bin. Keiner kann dich zwingen, deine Sucht abzustellen. Du musst es selbst wirklich wollen. Das ist der Punkt.
Was hat Ihnen also geholfen?
Man muss reden. Reden hilft ja auch schon viel. Und man muss bereit sein, sich selbst zu beobachten und etwas dagegen zu tun. Niemand muss sich mit seiner Sucht verstecken. Jeder kann das Ruder wieder herumreißen.

Was hat sich für Sie durch die Sucht am meisten verändert?
Ich habe mein Leben komplett, also ganz rigoros und konsequent, ändern müssen. Wenn man das nicht tut, wird man immer wieder in die alten Muster zurückfallen und nie wieder einen Weg rausfinden.
Klingt nach einem krassen Neubeginn.
Das war es auch. Man muss ganz unerbittlich sein Leben auf den Kopf stellen. Das braucht sehr viel Kraft und Mut – und man muss auch bereit sein, eben alles dafür aufzugeben. Das ist ein ganz wichtiger Punkt: Wie weit ist man dazu bereit, alles aufzugeben, um sich selber einfach wieder zu heilen? Das muss einfach jeder für sich entscheiden.
Fiel es Ihnen schwer, neu anzufangen?
Nein. Ich komme mit sehr wenigen Dingen zurecht. Ich brauche nicht viel, um wirklich auch glücklich zu sein. Das war sicherlich auch eine Erkenntnis in den letzten 25 Jahren: Ich brauche kaum etwas, ich kann mich auf das Wesentliche konzentrieren. Es braucht nicht viel, um das Leben so zu gestalten, damit man damit zufrieden ist.
"Es lohnt sich zu kämpfen! "
Welche Erkenntnis haben Sie aus der schweren Zeit gezogen?
Es lohnt sich zu kämpfen, es lohnt sich irgendwann, sich zu befreien und von all diesen Zwängen, die man einfach hat.
Das Thema Alkohol ist in Ihrer Branche sehr präsent. Wie gehen Sie damit um?
Bevor es irgendwo mal ein Wasser oder einen Kaffee gibt, kriegt man Alkohol ohne Ende. Ich habe mich die ersten Jahre komplett rausgezogen, genauso, wie ich auch mein Leben komplett auf den Kopf gestellt habe.
Wie sah das konkret aus?
Ich habe mich von allem zurückgezogen, mir einen neuen Freundeskreis gesucht. Ich habe mich in meine Kunst geflüchtet, weil mir das wieder ein Gefühl von Erfüllung ergab: Bilder zu malen, zu fotografieren, zu schreiben. Ich wollte einfach wieder den Sinn für etwas Schönes im Leben, im Alltag finden. Das ist ganz wichtig, dass man wieder Wege findet, um selber wieder einen Sinn oder ein Glücksgefühl zu entdecken.
Wie schafft man das?
Da muss man sich vielem entziehen. Erst, wenn man wirklich in der Lage ist, ein Glas Alkohol vor sich stehen zu haben und zu sagen „Nein, ich trinke nichts!“, ist man sicherlich ein Stück weiter.
Lesenswert: Vater Hardy Krüger: "Ich habe Ruhm und Geld – nur die Zeit rennt mir davon!"
"Man muss einfach sehr, sehr stark sein"
Sie bezeichnen Alkohol als Teufel, der einen verführt. Wie schützen Sie sich davor?
Irgendwann muss man ja wieder rausgehen, muss sich dem stellen. Man wird ja überall damit konfrontiert. Permanent, egal, wo. In der Werbung. In jedem zweiten Lokal sieht man Menschen, die schon morgens um zehn anfangen zu trinken. Da muss man einfach sehr, sehr stark sein, und versuchen, resistent zu sein.
Video: 4 Sätze zum Glücklichsein (Artikel wird unter dem VIdeo fortgeführt)
Für das Abspielen des Videos nutzen wir den JW Player der Firma Longtail Ad Solutions, Inc.. Weitere Informationen zum JW Player findest Du in unserer Datenschutzerklärung.
Bevor wir das Video anzeigen, benötigen wir Deine Einwilligung. Die Einwilligung kannst Du jederzeit widerrufen, z.B. in unserem Datenschutzmanager.
Weitere Informationen dazu in unserer Datenschutzerklärung.
Haben Sie Angst, rückfällig zu werden?
Nein. Ich bin da schon lange darüber hinweg, dass ich mich zu trinkenden Gesellschaften hingezogen fühle. Im Gegenteil: Ich sehe das alles so als Außenstehender.
Also ein kompletter Neuanfang.
Ja, ich habe darüber auch in meinem Buch 'Der leise Ruf des Schmetterlings' geschrieben. Es ist zwar ein Roman, aber letztlich in einer Zeit entstanden, in der ich mich mit allem beschäftigt habe. Dort habe ich alles reingepackt, was ich so erlebt habe. Meine Protagonisten sind alle ein Teil von mir. Da schreibe ich über die Liebe, den Verlust, über die Trauer, die Angst, das neue Leben – das sind ganz wichtige Punkte, die man immer wieder reflektieren sollte.
Ist Ihr Lebensmut zurückgekehrt nach all den harten Zeiten?
Unbedingt. Wir sollten uns und unser Leben immer wieder hinterfragen. Das Leben ist viel zu kurz, um es ins Alltägliche reinrutschen zu lassen. Abgesehen davon, wenn man etwas in seinem Leben ändern will, sollte man neugierig und offen bleiben für all das, was passiert. Vor allem aber sollte man den Spaß nicht verlieren. Die deutsche Mentalität neigt oft dazu, depressiv, kompliziert und ernst zu sein. Man muss versuchen, ein bisschen Leichtigkeit ins Leben zu bringen. Diese Leichtigkeit holen sich viele Leute durch Alkohol oder Drogen. Meine Erfahrung ist: Es geht wunderbar auch ohne.
Anderes Thema: Ihr Roman war sehr erfolgreich. Arbeiten Sie schon am nächsten Buch?
Ja, natürlich. Es wird auf jeden Fall ein neues Buch geben. Es sind zwei Bücher in Planung und welches zuerst am Start sein wird, wird sich zeigen. Aber ich bin auf jeden Fall kräftig am Schreiben.
Buchtipp: Hardy Krüger jr. hat 2018 das Buch 'Der leise Ruf des Schmetterlings' veröffentlicht: "Eine Erzählung über Liebe, Verlust und die Kraft des Augenblicks."
Mehr zum Weiterlesen: