Füreinander da sein

Bärbel Schäfer spricht offen über Einsamkeit

Für Bärbel Schäfer ist Liebe der Weg gegen Einsamkeit. Eine Begegnung inspirierte sie zu ihrem Buch.

Bärbel Schäfer.
Bärbel Schäfer möchte auf Einsamkeit aufmerksam machen. Foto: Tristar Media/Getty Images

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Bärbel Schäfer spricht mit der Einsamkeit ein Thema an, das alle betrifft und doch kaum besprochen wird. Dagegen möchte die Moderatorin etwas tun. Allein ins Kino? Kann man machen. Allein ins Restaurant? Geht so, werden wohl viele denken. Doch wie fühlt es sich an, wenn man keine Wahl hat? Manche kamen erstmals in Lockdown-Zeiten mit sozialer Isolation in Berührung. Für Millionen Menschen aber ist Einsamkeit ein langjähriger Begleiter. Neben der Pandemie ist für viele auch die Weihnachtszeit eine schmerzliche Erinnerung an etwas, das augenscheinlich nur wenige oder älter Menschen betrifft!

Doch werden im Büro Pläne für die Feiertage ausgetauscht oder von Partys erzählt und man nichts beisteuern kann, ist man nicht alleine damit. Von einer Epidemie im Verborgenen sprechen Experten sogar: Chronische Einsamkeit ist so schädlich wie Nikotin. Und sie ist alterslos, stellt die bekannte Moderatorin Bärbel Schäfer fest. Es sind bei Weitem nicht nur ältere Menschen, die am Weihnachtstisch alleine sitzen, da es bei den Kindern zeitlich nicht gepasst hat. Die Begegnung mit einer völlig zurückgezogenen jungen Frau inspirierte zu ihrem neuen Buch.

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Bärbel Schäfer möchte mit Einsamkeit offen umgehen

Wann registrierten Sie selbst zum ersten Mal ein Gefühl von Einsamkeit?

Bärbel Schäfer: In den verstörenden Teenagerjahren, wie so viele. Meine Eltern hatten Schwierigkeiten miteinander. Ich war traurig und verletzt. In der Schule spielte ich den Klassenclown, aber meine Gefühle hielt ich fest verschlossen. Ich komme aus einer sehr stillen Familie: Probleme wurden nicht auf den Tisch gelegt. Mit 17 erhielt ich ein Tennisstipendium und ging ein Jahr auf eine US-Highschool. Dort sind meine verkapselten Teenager-Mauern aufgebrochen.

Warum schrieben Sie dann jetzt ein Buch über Ihre Begegnung mit diesem Gefühl?

Auslöser war der Corona-Lockdown. Kontakte nur noch digital zu pf legen brachte ja für uns alle eine Herausforderung. Gleichzeitig poppten E-Mails von Ava auf meinem PC auf …

… eine junge Frau, die eigentlich keine Lust auf ein Gespräch mit Ihnen hatte, weil sie zurückgezogen auf dem Planeten der Einsamkeit lebt, wie Sie schrieben. Warum betraten Sie Avas Planeten?

Ava lag nach einem Unfall in der Klinik. Ihre Schwester, meine beste Freundin, arbeitete gerade im Ausland. Natürlich sagte ich ihr, ich schaue nach Ava. Ich hatte Ava als lebenshungrige Studentin in Erinnerung. Doch in der Klinik erlebte ich eine 38-jährige Eisprinzessin, die eine hammerharte Mauer um sich aufgebaut hatte. Sie bekam kein starkes Fundament aus ihrem Elternhaus mit, kein gesundes Selbstbewusstsein. Als dann eine Beziehung zerbrach, begann sie zu verfrosten. Nach vielen Wochen Rückzug war sie fast verstummt. Durch die Konfrontation mit Avas Sperrigkeit begann ich, auch auf meine eigene Verletzlichkeit zu schauen.

Sie sind mit Publizist und Philosoph Michel Friedman verheiratet, haben zwei Söhne, einen Hund. Wenn Sie nach Hause kommen, sind sie nie allein, oder?

(Lacht.) Manchmal hätte ich die Bude tatsächlich gern für mich allein. Das ist der Unterschied zwischen einsam und allein sein: Ich gehe gern allein im Wald spazieren und verbringe jeden November ein paar Tage allein auf einer ostfriesischen Insel, wo wirklich keine Seele unterwegs ist. Aber das ist etwas anderes als Einsamkeit, die auch ich phasenweise in meinem Leben spürte.

Selbst in Ihrem Leben gibt es Leere?

Sicher. Jeder kennt dunkle Räume, die er nicht gern betritt. Nach dem Unfalltod meines Freundes ist mein Bruder zu mir gezogen. Wir waren sehr eng, immer im Austausch. 2013 verlor ich auch ihn bei einem Unfall. Dass ich ihn nicht einfach anrufen kann, wenn ein bescheuertes Champions-League-Spiel läuft oder ich einen tollen Kinofilm gesehen habe, macht mich manchmal wütend. Dann wieder kriecht es mir unter die Haut, und ich bin nur traurig. Was bleibt, ist Leere.

Sie erinnern sich auch an die Schwere, die Ihren Vater zu Lebzeiten umgab. Würden Sie heute anders auf ihn zugehen?

Wir hätten uns beide viel früher Erinnerungsbrücken schenken können. Wenn ich ihn als Studentin besuchte, wollte ich lieber in die Lila Eule als mit meinem einsamen Vater ein Gespräch suchen. Das hätte nachhaltiger gewirkt, weiß ich jetzt im Nachhinein.

Kann man unter anderen einsam sein?

Ja. Wenn ich Events moderiere, kenne ich oft keinen, aber alle kennen mich. Ist die Arbeit gemacht, fühlt man sich manchmal sehr allein. Ich sprach für das Buch auch mit Schriftstellerin Charlotte Link. Lesungen hier, TV-Preise dort: Trotzdem fühlt auch sie sich einsam, wenn Menschen um sie sind. Studien zeigen, dass acht Millionen Menschen einsam sind. Auch junge, die mitten im Leben stehen. Vielleicht weil Beziehungen unverbindlicher geworden sind. Doch zu sagen: "Ich bin einsam", ist ein Tabu. Dabei kostet es unglaublich viel Kraft, dieses Gefühl zu verstecken.

Der schnelle Rat "Ruf doch eine Freundin an!" funktioniert leider nicht?

Nein. Durch Ava lernte ich, wie zerstörerisch Einsamkeit wirken kann. Betroffene haben nicht unser Tempo, nicht unser Handlungspotenzial. Aber wir können Einsamen die Hand reichen, immer wieder Angebote machen: Wollen wir spazieren gehen? Lust auf Kino? Während der Pandemie begannen wir, an die Türen von Nachbarn zu klopfen. Wäre doch schön, wenn wir weiter aufeinander schauen.

Sie nahmen für das Buch sogar an einer Unistudie zu Einsamkeit teil. Was haben Sie dabei gelernt?

Es ist ein Geschenk, dass ich Menschen habe, bei denen ich mich öffnen, mich mitteilen kann! Ich habe einen Mann an meiner Seite, der mir Flügel verleiht und dem ich dieses Buch gewidmet habe. Mein Schutzschild gegen die Einsamkeit heißt Liebe.

Ein volles Haus schütz vor Einsamkeit nicht

Allein sein ist also kein Indikator für Einsamkeit. Der Partner oder die Kinder sind ständig um einen herum und trotzdem fühlt man sich einsam? Das geht vielen so! So auch Annette Loers, die Alleinerziehende aus Stuttgart erzählt, wie sie trotz Kinder unter Einsamkeit litt.

„Andere sagen: 'Du hast doch deine Kinder'“
Annette Loers

Bei mir zu Hause ist immer jemand. Ich bin nie allein, denn da sind ja die Kinder. Trotzdem habe ich keinen auf Augenhöhe, mit dem ich über die Vorstandssitzung reden könnte. Niemanden zum Austauschen bei Stress mit dem Ex. Keinen zum Ausheulen. Ich kann ja kaum Kollegen mit Privatkram belästigen.

Ich war wegen meines heutigen Ex-Mannes nach Stuttgart gezogen und habe sofort zwei Kinder bekommen. Es gibt keine Kontakte aus der Vor-Familienzeit, alle meine Freunde haben auch Familie und genauso wenig Zeit. Also müsste ich mir neue Freunde suchen. Nur bleibt mir dafür keine Zeit. Ich leite ein Kulturzentrum und bin allein diese Woche vier Abende für die Arbeit verplant. Dann noch ein Elternabend – da verkneift man sich weitere private Verabredungen. Oder soll ich etwa meine Kinder auf Partys mitschleppen? Ich muss sie nicht mehr wickeln oder fragen, ob sie ihr Matheheft in den Ranzen gepackt haben. Aber wer glaubt, die Pubertät sei eine entspannte Phase? Ich kann sie nicht der Welt und ihren Problemen allein überlassen. Wenn sie mich fragen, was in der Ukraine los ist, sage ich doch nicht: Schaut im Internet! Fakt ist: Alleinerziehende sind einer tief sitzenden Einsamkeit ausgeliefert. Vor einiger Zeit begann ich, meine Gedanken auf meinem Blog 'Mutterseelensonnig' zu teilen. Die vielen Rückmeldungen, das Gefühl, ich bin nicht allein, tun gut. Jetzt sind die Kinder 15 und 17, und ich habe mehr Luft für eigene Kontakte, aber die letzten zehn Jahre gab es fast nichts außer Kinder, Haushalt und Job.

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